Vier Frauen und ein Mord
sind.«
»Nein. Sie passen vielleicht am besten ins Bild, aber das ist auch alles. Ihrem Charakter nach könnte Mrs Upward viel eher eine Mörderin sein als Mrs Wetherby. Sie besitzt Entschlusskraft und Willensstärke, und sie ist ganz vernarrt in ihren Sohn. Um zu verhindern, dass er erfährt, was geschehen ist, ehe sie seinen Vater heiratete und zu einer ehrbaren, glücklichen Ehefrau wurde, könnte sie weit gehen, glaube ich.«
»Würde ihn das so sehr erschüttern?«
»Ich denke nicht. Der junge Robin hat den modernen skeptischen Standpunkt, ist durch und durch selbstsüchtig und jedenfalls seiner Mutter weniger ergeben als sie ihm, möchte ich sagen. Er ist kein zweiter James Bentley.«
»Nehmen wir einmal an, Mrs Upward wäre Eva Kane. Würde ihr Sohn Robin nicht einen Mord begehen, um zu verhüten, dass diese Tatsache bekannt wird?«
»Nicht einmal daran denken, würde ich sagen. Er würde wahrscheinlich Geld aus der Sache herausschlagen. Die Tatsache nutzen, um für seine Theaterstücke Reklame zu machen. Ich kann Robin Upward nicht als Mörder aus Ehrbarkeit sehen oder aus Ergebenheit, oder aus irgendeinem anderen Grund als um eines guten, soliden Gewinnes für Robin Upward willen.«
Spence seufzte.
»Es ist ein weites Feld. Wir könnten vielleicht etwas über die Vergangenheit dieser Leute erfahren. Aber das braucht Zeit. Der Krieg hat alles noch komplizierter gemacht, Akten zerstört – für Leute, die ihre Spuren verwischen wollen, einzigartige Gelegenheiten, dies dadurch zu tun, dass sie die Ausweise anderer Personen benutzen und so weiter, besonders nach Unglücksfällen, bei denen niemand wusste, wer die Leichen waren. Wenn wir uns nur auf eine Gruppe konzentrieren könnten. Aber es gibt so viele Möglichkeiten, Monsieur Poirot!«
»Vielleicht können wir ihre Anzahl bald verringern.«
Poirot verließ das Büro des Kommissars mit weniger Zuversicht im Herzen, als er gezeigt hatte. Er war, genau wie Spence, von der Kürze der Zeit beunruhigt. Wenn er nur Zeit hätte…
Und dann diese Zweifel – war das Gebäude, das er und Spence aufgebaut hatten, wirklich solide? Wenn nun James Bentley doch schuldig war?
Er gab diesen Zweifeln nicht nach, aber er machte sich Sorgen. Wieder und wieder dachte er an sein Gespräch mit James Bentley. Jetzt, da er auf dem Bahnsteig von Kilchester auf seinen Zug wartete, dachte er wieder daran. Es war Markttag, und der Bahnsteig war voller Menschen. Immer mehr Leute kamen durch die Sperren.
Poirot beugte sich vor. Ja, endlich kam der Zug. Bevor er sich wieder aufrichten konnte, fühlte er einen harten, absichtlichen Stoß ins Kreuz. Er war so heftig und so unerwartet, dass Poirot davon überrascht wurde. Im nächsten Augenblick wäre er unter den einfahrenden Zug gefallen, wenn ihn nicht ein Mann neben ihm auf dem Bahnsteig gepackt und ihn blitzschnell zurückgerissen hätte.
»Na, was ist denn mit Ihnen los?«, fragte er. Er war ein großer, stämmiger Feldwebel. »Ist Ihnen schlecht geworden? Mensch, Sie wären ja beinahe unter dem Zug gelandet.«
»Ich danke Ihnen. Ich danke Ihnen tausendmal.« Die Menge drängte sich schon um die beiden, stieg in den Zug, andere Leute stiegen aus.
»Ist Ihnen jetzt besser? Kommen Sie, ich helfe Ihnen.«
Erschüttert ließ Poirot sich auf einen Sitz fallen.
Es hatte keinen Sinn zu sagen: »Man hat mich gestoßen.« Aber man hatte ihn gestoßen. Bis zu diesem Abend war er gewissenhaft und vorsichtig umgegangen, immer auf Gefahr vorbereitet. Aber nach seinem Gespräch mit Spence, nach Spences scherzhafter Anfrage, ob man schon ein Attentat auf ihn verübt hätte, hatte er unbewusst die Gefahr als vorüber oder als unwahrscheinlich angesehen.
Wie unrecht er doch gehabt hatte! Mit einem der Gespräche, die er in Broadhinny geführt hatte, musste er ins Schwarze getroffen haben. Jemand fürchtete sich und versuchte, Schluss mit dieser gefährlichen Auferstehung eines abgeschlossenen Falles zu machen.
Von einer Telefonzelle im Bahnhof von Broadhinny aus rief Poirot Kommissar Spence an.
»Sind Sie es, mon ami? Passen Sie auf, bitte. Ich habe etwas Neues für Sie. Eine ausgezeichnete Nachricht. Jemand hat versucht, mich zu töten…«
Er hörte zufrieden den Wortschwall vom anderen Ende der Leitung.
»Nein, ich bin nicht verletzt. Aber es war eine knappe Angelegenheit… Ja, unter den Zug. Nein, ich habe nicht gesehen, wer es war. Aber seien Sie sicher, mein Freund, ich werde es herausbekommen. Wir wissen jetzt, dass wir
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