Vier Frauen und ein Mord
fett.
Hunde, meinte Mrs Oliver, sind immer ein gutes Anknüpfungsmittel.
»Wie süß er ist!«, rief sie.
Miss Henderson schien erfreut.
»Er ist wirklich recht hübsch«, sagte sie. »Nicht wahr, Ben, das bist du?«
Ben blickte hoch und wackelte ein bisschen mit seinem wurstartigen Körper.
»Rauft er?«, fragte Mrs Oliver. »Das tun Sealyhams oft.«
»Ja, er ist ein schrecklicher Raufbold. Darum halte ich ihn an der Leine.«
»Das dachte ich mir.«
Beide Frauen sahen den Sealyham an.
Dann sagte Deirdre Henderson leicht errötend:
»Sie sind… Sie sind Ariadne Oliver, nicht wahr?«
»Ja. Ich wohne bei den Upwards.«
»Ich weiß. Robin sagte mir, dass Sie kommen würden. Ich muss Ihnen sagen, wie gern ich Ihre Bücher lese.«
Mrs Oliver lief wie gewöhnlich vor Verlegenheit purpurn an.
»Oh«, erwiderte sie leise und unglücklich. »Ich freue mich«, fügte sie düster hinzu.
»Ich habe nicht so viele davon gelesen, wie ich es gern möchte, weil Mutter Kriminalromane nicht mag. Sie ist schrecklich empfindlich, und sie lassen sie nachts nicht schlafen. Aber ich liebe sie.«
»Sie haben hier doch ein wirkliches Verbrechen gehabt, nicht wahr?«, sagte Mrs Oliver. »Welches Haus war es? Eins von diesen kleinen Häuschen?«
»Das dort drüben.«
Deirdre Henderson sprach mit fast erstickter Stimme.
Mrs Oliver richtete ihren Blick auf Mrs McGintys ehemalige Behausung. »Sieht gar nicht aus wie ein Haus, in dem ein Mord begangen wurde, nicht wahr?«
»Nein, gar nicht.«
»Eine alte Putzfrau, nicht wahr? Und jemand hat sie beraubt?«
»Ihr Untermieter. Sie hatte ein bisschen Geld – unter dem Fußboden.«
»Ach so.«
Deirdre Henderson sagte plötzlich:
»Aber vielleicht war er es doch nicht. Hier ist ein komischer kleiner Mann – ein Ausländer. Er heißt Hercule Poirot…«
»Hercule Poirot? O ja, ich kenne ihn sehr gut.«
»Ist er wirklich ein Detektiv?«
»Meine Liebe, er ist schrecklich berühmt. Und schrecklich gescheit.«
»Dann wird er vielleicht herausfinden, dass er es doch nicht getan hat.«
»Wer?«
»Der – der Zimmerherr. James Bentley. Ach, ich hoffe so sehr, dass er freikommt.«
»Wirklich? Warum?«
»Weil ich nicht will, dass er es war. Ich habe das nie gewollt.«
Mrs Oliver sah sie neugierig an, durch die Leidenschaft in ihrer Stimme verblüfft.
»Kannten Sie ihn?«
»Nein«, sagte Deirdre langsam. »Richtig gekannt habe ich ihn nicht. Aber einmal ist Ben mit einer Pfote in eine Falle geraten, und er hat mir geholfen, ihn freizukriegen. Und wir haben ein bisschen geplaudert…«
»Wie war er?«
»Er war furchtbar einsam. Seine Mutter war eben erst gestorben. Er hat seine Mutter schrecklich geliebt.«
»Und Sie lieben Ihre sehr?«, sagte Mrs Oliver schnell.
»Ja. Darum habe ich es verstanden. Verstanden, was er empfand, meine ich. Mutter und ich – wir haben nur einander, wissen Sie.«
»Ich dachte, Robin hätte mir gesagt, dass Sie einen Stiefvater haben.«
Deirdre sagte verbittert: »O ja, ich habe einen richtigen Stiefvater.«
Mrs Oliver meinte unbetont: »Ist nicht dasselbe wie ein richtiger Vater, nicht wahr? Erinnern Sie sich an Ihren Vater?«
»Nein, er starb, bevor ich auf die Welt kam. Mutter hat Mr Wetherby geheiratet, als ich vier Jahre alt war. Ich… ich habe ihn immer gehasst. Und Mutter…« Sie machte eine Pause, ehe sie fortfuhr: »Mutter hat ein sehr trauriges Leben gehabt. Man hatte für sie weder Mitgefühl noch Verständnis. Mein Stiefvater ist ein ganz gefühlloser Mann, hart und kalt.«
Mrs Oliver nickte und sagte leise:
»Dieser James Bentley sieht gar nicht wie ein Verbrecher aus.«
»Ich habe nie geglaubt, dass die Polizei gerade ihn verhaften würde. Ich bin sicher, dass es ein Landstreicher gewesen ist.«
Mrs Oliver tröstete:
»Vielleicht findet ja Hercule Poirot die Wahrheit heraus.«
»Ja, vielleicht…«
Sie wandte sich plötzlich ab und ging die Auffahrt von Hunter’s Close hinauf.
Mrs Oliver sah ihr ein paar Augenblicke lang nach, dann nahm sie ein kleines Notizbuch aus der Handtasche. Sie schrieb hinein: »Nicht Deirdre Henderson.« Sie unterstrich das »Nicht« so stark, dass ihr Bleistift abbrach.
Auf halber Höhe des Hügels begegnete sie Robin Upward, der mit einer hübschen, platinblonden Frau herunterkam.
Robin stellte vor.
»Das ist die wundervolle Ariadne Oliver, Eve«, sagte er. »Meine Liebe, ich weiß wirklich nicht, wie sie es macht. Sieht so gutmütig aus, nicht wahr? Gar nicht, als ob sie sich in
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