Vier Frauen und ein Mord
Hercule Poirot sich am nächsten Morgen, »ist der Frühling gekommen.«
Die Befürchtungen, die er nachts gehegt hatte, schienen ihm nun seltsam unbegründet.
Mrs Upward war eine vernünftige Frau, die gut auf sich aufpassen konnte.
Dennoch interessierte sie ihn sehr. Er verstand nicht alle ihre Reaktionen. Es war klar, dass sie nicht wollte, dass er sie verstünde. Sie hatte Lily Gambolls Fotografie erkannt und sich entschlossen, das Spiel allein zu spielen.
Poirot spazierte durch den Garten, als er diesen Überlegungen nachhing. Plötzlich wurde er durch eine Stimme aufgeschreckt.
»Monsieur Poirot.«
Mrs Rendell war so leise näher gekommen, dass er sie nicht gehört hatte. Seit gestern fühlte er sich außerordentlich nervös.
»Pardon, Madame. Sie haben mich erschreckt.«
Mrs Rendell lächelte mechanisch. Er mochte nervös sein, aber Mrs Rendell war es noch mehr, meinte er. Ein Augenlid zuckte, und ihre Hände bewegten sich rastlos.
»Ich… ich hoffe, dass ich Sie nicht störe. Vielleicht haben Sie zu tun.«
»Aber nein, ich habe nichts zu tun. Das Wetter ist schön. Ich freue mich, den Frühling schon zu spüren.«
Sie schwiegen. Aus dem Augenwinkel beobachtete Poirot ihre nervösen weißen Hände. Er wartete darauf, dass sie die Initiative ergriff. Als sie sprach, kam es ganz plötzlich.
»Ich vermute«, sagte sie, »dass Sie immer einen Vorwand haben müssen, wenn Sie – wie sagt man doch? – Nachforschungen durchführen.«
Poirot dachte über diese Frage nach. Obwohl er Mrs Rendell nicht ansah, bemerkte er deutlich, dass sie ihn erwartungsvoll von der Seite her betrachtete.
»Sie haben Recht, Madame«, erwiderte er, ohne sich festzulegen. »Es ist praktischer.«
»Um zu erklären, warum Sie da sind und Fragen stellen.«
»Das ist mitunter zweckdienlich.«
»Warum… warum sind Sie in Wirklichkeit in Broadhinny, Monsieur Poirot?«
Er wandte ihr einen milde überraschten Blick zu.
»Aber Madame, ich habe es Ihnen gesagt – um Nachforschungen im Hinblick auf den Mord an Mrs McGinty durchzuführen.«
Mrs Rendell erwiderte scharf:
»Ich weiß, dass Sie das sagen. Aber das ist lächerlich.«
»Wirklich?«
»Natürlich ist es das. Niemand glaubt es.«
»Und doch versichere ich Ihnen, dass es so ist.«
Ihre hellblauen Augen blinzelten und wandten sich ab.
»Sie wollen es mir nicht sagen.«
»Ihnen was sagen, Madame?«
Sie wechselte plötzlich das Thema.
»Ich wollte Sie wegen anonymer Briefe etwas fragen.«
»Ja?«, sagte Poirot ermutigend, als sie verstummte.
»Die sind immer erlogen, nicht wahr?«
»Sie sind manchmal erlogen«, meinte Poirot vorsichtig.
»Gewöhnlich«, beharrte sie.
»Ich weiß nicht, ob ich soweit gehen würde, das zu sagen.«
Shelagh Rendell sagte heftig:
»Sie enthalten feige, niederträchtige, gemeine Dinge.«
»Nun ja, das gebe ich zu.«
»Sie würden nie einem anonymen Brief glauben, nicht wahr?«
»Das ist eine sehr schwierige Frage«, meinte Poirot ernst.
»Ich würde es nicht. Ich würde solche Dinge nicht glauben.«
Sie fügte heftig hinzu:
»Ich weiß, warum Sie hier sind. Aber es ist nicht wahr, das sage ich Ihnen, es ist nicht wahr.«
Sie wandte sich schnell um und ging weg.
Hercule Poirot zog seine Augenbrauen interessiert hoch.
»Und was jetzt?«, fragte er sich. »Will man mich von der Spur abbringen? Oder ist das hier ein anderer Vogel?«
Er hatte das Gefühl, dass alles höchst verwirrend war.
Mrs Rendell glaubte, er wäre aus einem anderen Grund hier, als um Mrs McGintys Tod aufzuklären. Sie hatte angedeutet, dass sie das nur für einen Vorwand hielt.
Glaubte sie das wirklich? Oder wollte sie ihn nur, wie er eben zu sich gesagt hatte, von der richtigen Spur abbringen?
Was hatten anonyme Briefe damit zu tun?
War Mrs Rendell das Original der Fotografie, von der Mrs Upward erklärt hatte, sie hätte sie kürzlich gesehen?
Mit anderen Worten: War Mrs Rendell Lily Gamboll? Von Lily Gamboll, einem wieder zu Ehren gebrachten Mitglied der Gesellschaft, hatte man zuletzt aus Irland gehört. Hatte Dr. Rendell, in Unkenntnis ihrer Vergangenheit, seine Frau dort kennen gelernt und geheiratet? Lily Gamboll war zur Stenotypistin ausgebildet worden. Ihr Pfad und der des Arztes hätten sich leicht kreuzen können.
Poirot schüttelte den Kopf und seufzte.
Es war alles durchaus möglich. Aber er musste sicher sein. Er ging ins Haus zurück.
Ja, er musste sicher sein. Wenn er die Mordwaffe finden könnte…
Und in diesem Augenblick
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