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Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Vier Jungs auf einem Foto (German Edition)

Titel: Vier Jungs auf einem Foto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Sacheri
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ein kleines Kind. Hat gequasselt wie ein Wasserfall. In sechs Monaten würde ich vielleicht schon in Europa spielen, hat er gesagt. Da war’s wieder. Hat an mir geklebt wie ein Kaugummi. Training, Spiele, das ganze Programm. Sogar zur WM ist er mitgefahren. Bezahlt hat er das mit Geld, das ihm Salvatierra gegeben hat, dafür, dass ich bei ihm unterschrieben hab.«
    Er macht eine Pause. Ruso fällt auf, dass er ihn noch nie so viel hat reden hören.
    »Noch einen Kaffee?«
    42
    »Hör mal.« Ruso sieht auf die Uhr. Ihm ist gerade eine Idee gekommen. »Willst du mit uns zu Mittag essen? Oder hast du schon was anderes vor?«
    »Nein«, antwortet Pittilanga. »Oder ja. Ich meine, ich hab nichts vor, will aber auch nicht aufdringlich sein.«
    »Wieso aufdringlich? Ich hab dich doch eingeladen, oder nicht? Also sei nicht so, sonst endest du noch wie Fernando.«
    »Fernando? Wieso das?«
    »Na ja, weil Fernando immer so förmlich ist, so ernst, von wegen dass er nicht aufdringlich sein will. Hast du das noch nie bemerkt?«
    »Schon. Scheint aber trotzdem ein guter Mensch zu sein.«
    Sie haben den Supermarkt verlassen und stehen auf dem Bürgersteig. Ruso zeigt in die Richtung, die sie nehmen müssen.
    »Sind sieben Blocks von hier. Ein guter Mensch? Eine Seele von Mensch!«
    »Warum hast du das dann gesagt?«
    »Was gesagt?«
    »Das über Fernando. Als ob du Zweifel hättest. Entweder ist man ein guter Mensch oder nicht. Findest du nicht?«
    Ruso betrachtet ihn. Ihm wird immer deutlicher, dass dieser Junge alles andere als blöd ist.
    »Na ja, manchmal ist es halt einfach … zu viel«, sagt er.
    Pittilanga sieht ihn verständnislos an. Sie überqueren die Straße.
    »Zu verantwortungsbewusst. Zu solidarisch. Zu aufrichtig.«
    »Zu viel alles.«
    »Genau! Er zwingt einen fast, ihn zu bewundern.«
    Schweigend gehen sie zwei Blocks weiter, bis Ruso auf ein Haus auf der anderen Straßenseite zeigt. »Da ist es. Das mit den zwei Stockwerken.«
    »Ah. Toll.«
    »Wir wohnen oben. Den unteren Teil hat mein Vater gebaut. Den oberen auch, aber erst später, für mich, als ich geheiratet habe. Wenn sie mal nicht mehr wären, sollte ich auch seinen Teil kriegen.« Sie kommen ans Gittertor.
    »Und?«
    Ruso dreht den Schlüssel im Schloss, überlässt Pittilanga den Vortritt und gibt ihm zu verstehen, dass er die Treppe nehmen soll, die seitlich am Gebäude hinaufführt.
    »Meine Eltern waren damals ja schon alt. Für meine Geschwister hatte er bereits gesorgt. War ein fleißiger Jude, immer nur Arbeit, Arbeit, Arbeit. Mein Großvater genauso. Na ja, schlecht ist er nicht damit gefahren.« Ruso hält inne, als sie die Treppe hinaufgehen. Oben auf dem Absatz nimmt er den Faden wieder auf. »Als sie dann gestorben sind, haben sie mir tatsächlich das ganze Haus vermacht. Leider konnte ich es nicht halten und musste den unteren Teil verkaufen.«
    »Schade, ist ein richtiges Schmuckstück«
    Ruso wartet kurz, bevor er öffnet. Will sich vergewissern, dass Pittilanga ihn nicht auf den Arm nimmt. Nein. Tut er nicht.
    »Tja, wenn ich dir eine Liste erstellen würde mit all den Geschäften, die ich schon in den Sand gesetzt habe, die wäre endlos.«
    Sie treten ein.
    »Meine Frau holt gerade die Mädchen von der Schule ab. Ist gleich wieder da. Mach’s dir schon mal bequem.«
    Pittilanga setzt sich auf einen der Stühle. Ruso, der an die zierlichen Dimensionen von Mónica und den Mädchen gewöhnt ist, kommt es merkwürdig vor, dass da so ein Koloss an seinem Tisch sitzt. Er öffnet den Kühlschrank und geht in die Hocke, um zu sehen, was er anbieten könnte. Da ist aber nichts. Um es zu überspielen, holt er eine Flasche Sprudel heraus und hält sie Pittilanga hin, der ablehnt. Er schenkt sich selber ein Glas ein und setzt sich.
    »Was ist dann passiert?«, fragt er.
    »Wie passiert?«
    »Nachdem du zum Familienoberhaupt geworden bist.« Ruso nickt in Richtung Kopfende des Tisches.
    »Uh … Danach ging’s bergab.«
    »Wieso?«
    »Weiß ich auch nicht so genau. Ich kam von der WM zurück, wo ich hauptsächlich auf der Ersatzbank saß. Bei Platense hingegen war ich Stammspieler. Zumindest in der B-Jugend. Auch in der A-Jugend lief’s gut. Da hat mich auch dein Freund Alejandro gekauft. Mein Vater hat sich ein zweites Loch in den Arsch gefreut.«
    »Kann ich mir vorstellen.«
    »Nein, kannst du nicht. Du hast ihn ja nur einmal gesehen. Wobei, eigentlich ist er immer so. Der totale Griesgram, nie ein Lächeln. Weißt du, was er mit den

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