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Vier Tage im August

Vier Tage im August

Titel: Vier Tage im August Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvio Blatter
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nun wollte ihn sein Sohn löchern. Ivo Blume fühlte sich immer noch zu anfällig und wund, um sich seinen Fragen zu stellen.
    Ich komme vorbei, hatte Tom gesagt.
    Ich kann dir nicht versprechen, dass ich zu Hause auf dich warte, Tom, aber du weißt ja, wo die Alben und die ganzen Unterlagen zu finden sind.

TOM WARTETE AUF DEM PARKPLATZ des Krankenhauses auf seine Mutter, die ihn mit einer SMS hierher bestellt hatte, und beobachtete eine Katze, die, versteckt in der Bepflanzung der schmalen Rabatten, Vögeln auflauerte. Tom erkannte das Auto seiner Mutter zuerst nicht, sie fuhr jetzt einen gelben Fiat Bravo, Tom stellte den Farbwechsel nicht ohne Verwunderung fest. Sie parkte achtlos ein, ihr Fahrstil hatte etwas Ungeduldiges. Den Motor würgte sie ab. Nach dem Aussteigen schob sie die Sonnenbrille hoch, als wünschte sie, ihr Gesicht zur Schau zu stellen. Es war blass. Immerhin hatte seine Mutter sich trotzig für das Weiterleben entschieden.
    Der abscheuliche Mord an Elmar Brink hatte Iris nicht noch weiter in die Tiefe gerissen. So hinterhältig die Tat auch war, Iris hatte den ärgsten Schmerz überwunden. Behördengänge lenkten sie ab, Versicherungskram, zu unterzeichnende Dokumente und die Anzeige bei der Polizei, die ganzen administrativen Pflichten.
    Iris würde sich nicht unterkriegen lassen. Sie schöpfte Hoffnung. Alles würde gut mit Pauls Händen. Und sie würden eine neue Bleibe suchen.
    Tom küsste Iris auf die Wangen. Er schnupperte ein wenig an ihr, sie war seine Mutter, ihren Duft konnte er aus allen anderen Düften herausfiltern, er war unverwechselbar, Tom kannte ihn besser als seinen eigenen. Tom konnte sogar riechen, ob Iris guter oder schlechter Laune war. Nun hielt er sie in den Armen, sie schmiegte sich an ihn und würde niedersinken, falls er sie losließe. Mit vierzehn hatte er sich den Kopf darüber zerbrochen, ob eine bestimmte Duftnote darauf hinwies, dass sie mit Paul geschlafen hatte. Iris war eine kluge Frau und für den kleinen Tomy eine liebevolle Mutter gewesen. Jetzt war ihr Verhältnis komplizierter. Er hatte Iris nicht erzählt, dass sein Vater auf ihn geschossen hatte. Seine Mutter stand immer, den Sohn ohne Vorbehalt lobend, auf seiner Seite, sah oder sähe sich gern als seine engste Vertraute. Mit seinem Wagnis, einen Roman zu schreiben, hatte Iris sich gern angefreundet. Es gefiel ihr, einen Sohn zu haben, der in vielen Dingen ähnlich dachte und in seinem Innersten gleich gestrickt war wie sie. Auch Tom galt als etwas schwierig und, das hatte er schon als Kind zu hören bekommen, als eher zart besaitet, ganz wie seine Mama.
    Er löste sich aus der Umarmung:
    Kommst du zurecht, Mama?
    Sie nickte, lächelte.
    Du sagst es mir bitte, wenn du Hilfe brauchst, du kannst auch mein Arbeitszimmer benutzen?
    So lange wie Paul im Krankenhaus bleiben muss, darf ich bei meiner Freundin wohnen, sagte sie.
    Und danach?
    Das wird sich alles regeln, sagte seine Mutter bestimmt. Wir finden einen Weg, wir fangen noch mal neu an.
    Manchmal verwunderte es Tom, von einer so zierlichen Frau auf die Welt gebracht worden zu sein. Es berührte ihn, dass sein Leben in ihrem Bauch begonnen hatte. Leider hatte er den Vorgang nicht mitbekommen. Dafür erinnerte er sich an ihre zweite Schwangerschaft, wie peinlich es ihm, einem zwölfjährigen Jungen, gewesen war, dass seine Mutter in ihrem Alter nochmals schwanger wurde, wie überflüssig er ein Baby fand und sich genierte, als Mama ihn aufforderte, seine Hände auf ihren nackten Bauch zu legen, um Emilys Bewegungen zu spüren.
    Em ist bei Ivo am See, sie ist dort gut aufgehoben, sagte Tom.
    Iris trug ihr Haar wie immer, nussbraun, lang und gewellt, er wusste es von Fotos, sie hatte nie eine andere Frisur gehabt. Als Junge hatte er ihr manchmal das Haar mit dem Föhn trocknen dürfen. Das nasse Haar einer Frau. Jetzt färbte sie es. Seine Mama war eine richtig schöne Frau gewesen; in mancher Hinsicht war sie es jetzt noch. Iris trug ein gelbes Sommerkleid mit feinen roten Punkten, das sie zusammen mit ihrer Freundin eben gekauft hatte. Sie hatte schlanke, von der Sonne gebräunte Beine. Ihre Füße, in neuen, offenen Schuhen, waren sehnig und schmal, der Nagellack glänzte. Ihre Lippen schimmerten, seine Mutter benutzte immer Lippenstift. Als sie sprach, bemerkte er, dass auch die Zähne ein wenig Farbe abbekommen hatten.
    Ich habe mit Louise Brink gesprochen.
    Hast du ihr von Genua erzählt?
    Hätte ich das tun sollen?
    Ich frage mich, wie es ihr

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