Vier Zeiten - Erinnerungen
selten sportliche Erfolgserlebnisse, zumal im Fußball. Sie taten sich schwer mit der Konkurrenz des Spitzensports der Bundesrepublik. Um so größer waren die Aufregung und das Glück, als es 1982 dem alten Berliner Traditionsclub Hertha BSC gelang, wieder
in die Bundesliga aufzusteigen. Während meiner Bürgermeisterzeit erinnere ich mich nur einmal an eine helle Aufregung meiner Sicherheitsbeamten, und zwar in den Minuten nach dem für den Aufstieg der Herthaner entscheidenden Schlußpfiff auf dem Spielfeld des Olympiastadions. Natürlich wollte mir niemand etwas Böses antun. Aber es war in der Tat ein beinahe lebensgefährliches Gedränge von Tausenden freudetrunkenen Berlinern, in deren Begeisterung ich mittendrin und rückhaltlos einstimmte.
In diesen Berliner Jahren waren es immer wieder die Künste, die uns große Erlebnisse vermittelten, auch wenn es bei ihnen oft schwer lösbare Probleme gab. Einmal mußte während meiner Amtszeit eine neue Direktion für das renommierte Schiller-Theater gefunden werden. Noch Jahre nach einer anderweitigen Entscheidung des Senats vernahm ich die Vorwürfe des Burgtheater-Direktors Claus Peymann, warum man denn nicht ihn an diese damals wohl größte deutsche Bühne berufen habe. Ich glaube, daß er recht hatte. Nicht nur der ständige Wirbel, den er immer von neuem in Wien auslöst, spricht dafür.
An der Schaubühne hatte Peter Stein sich mit durchschlagendem Erfolg dem Ziel gewidmet, die Revolte der Achtundsechziger auf das Theater zu bringen und dort mit anderen Mitteln und breiter öffentlicher Wirkung zu reflektieren. Ulrich Eckardt, bis heute ingeniöser Leiter der Berliner Festspiele, brachte uns Jahr für Jahr mit den Theaterwochen die besten Inszenierungen anderer Bühnen in die Stadt und sorgte damit für die ständige Erziehung des Urteilsvermögens im Publikum.
Bei Götz Friedrich, der seine Aufgabe als Generalintendant der Deutschen Oper im selben Jahr übernahm wie ich mein Bürgermeisteramt, habe ich hinreißende, aufregende und oft auch kontroverse Abende erlebt. Es ist schwer, aber auch ein Privileg, vom Senat aus das menschenmögliche zu tun, um einem Haus wie der Deutschen Oper die materiellen Voraussetzungen für seine Tätigkeit zu verschaffen. Die Überzeugung, in der dies geschieht,
beruht gewiß nicht allein auf den persönlichen Erlebnissen, die ein der Musik, der Oper oder dem Theater zugewandter Regierender Bürgermeister den Berliner Bühnen verdankt. Immer wieder habe ich im nahen und fernen Ausland ihre werbende Wirkung für die Stadt und für unser ganzes Land wahrgenommen. Sie gehören zu den wichtigsten Botschaftern unserer Kultur und sind für unseren Namen unentbehrlich.
Wir haben dabei natürlich auch erlebt, daß manche dynamischen Theaterregisseure unter einer Krise der zeitgenössischen Theaterliteratur leiden. Das erschwert ihnen die Aufgabe, die sie suchen, nämlich mit dem Theater an den Lebensfragen der Gegenwart hörbar teilzunehmen. Sie haben zwar Thomas Bernhard, Botho Strauß und einige andere. Aber sie halten sich mehr an Shakespeare und das 19. Jahrhundert. Immer von neuem klassischen Theaterstücken durch eine entsprechende Regie Aktualität zu verleihen war ein verständliches, aber schon oft erprobtes Bemühen. Die Folge ist, daß der eine oder andere unter den Regisseuren sich stärker als früher der Opernleitung zuwendet, freilich mit wechselhaftem Erfolg. Im Figaro sind schon mehrfach die sozialen Spannungen und Ungerechtigkeiten so deutlich hervorgehoben worden, daß man sich fragt, ob Mozart nicht nachträglich seine Musik umkomponieren müßte, damit sie besser zum Konzept des Regisseurs paßt.
Verdi bietet verlockende Stücke zur Aktualisierung. Eine solche Aufführung erlebten wir in der Deutschen Oper bei der »Macht des Schicksals« unter der Regie von Hans Neuenfels. Es war eine straffe und künstlerisch hervorragende Aufführung, aber durchsetzt mit aufreizender Polemik. Als in einer Szene die Mönche des spanischen Klosters mit einem simulierten Panzerspähwagen auf die Bühne kamen, Transparente mit der Aufschrift »La bella guerra« trugen und die Kriegsversehrten unter dem Volk prügelten, entfuhr meiner Frau neben mir ein leises und doch im weiten Rund wahrnehmbares »Buh«. Tags darauf prangte auf der Titelseite der auflagenstärksten Berliner Zeitung
die Balkenüberschrift »Das einsame Buh der Frau Weizsäcker«. Im Untertitel stand »Der Regierende Bürgermeister flüsterte seiner Frau
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