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Vier Zeiten - Erinnerungen

Titel: Vier Zeiten - Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard von Weizsäcker
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überall, besonders im Ausland vermißt wurde. Im ganzen hatte Amerika damit international zur Beruhigung beigetragen und faktisch die Richtung für die Verhandlungen der kommenden Zeit vorgegeben.

    Am 12. Dezember 1989 traf ich im Potsdamer Cecilienhof, dem ehemaligen Sitz des deutschen Kronprinzen, mit den Repräsentanten der noch existierenden DDR zusammen. Von links: Lothar de Maizière, Vorsitzender der Ost-CDU, Manfred Gerlach, damals Staatsoberhaupt der DDR, und Ministerpräsident Hans Modrow.

    In der DDR-Führung ging es turbulent zu. Krenz war noch Generalsekretär der SED. Die Volkskammer strich den in der Verfassung verankerten Führungsanspruch der Partei und diskutierte offen über ungezählte Fälle von Amtsmißbrauch und Korruption in der Vergangenheit. Eine Lage entstand, wie wir sie nie erlebt hatten. Auf der einen Seite war die DDR konstitutionell von einer Demokratie noch weit entfernt. Andererseits aber war es wirklich das Volk, von dem die Impulse ausgingen, weit mehr als in der Routine einer etablierten Demokratie, wie wir sie aus dem Westen gewöhnt waren. In der Hand des Volkes lag faktisch so etwas wie die Richtlinienkompetenz für die Politik. Das Volk war die Offenbarung der Wendezeit und die entscheidende Kraft der DDR bei der Einleitung des Einigungsprozesses.
    Schon unmittelbar vor der Zehnpunkterede von Kohl setzten die ersten öffentlichen Forderungen in der DDR nach einer staatlichen Vereinigung ein. Hatten die meisten Parolen bis dahin noch eine souveräne DDR gefordert mit Sprüchen wie »Kein Ausverkauf der DDR« und »Wir lassen uns nicht BRDigen«, gab es nun zunehmend öffentliche Auseinandersetzungen. Bald hieß es immer deutlicher »Wir sind ein Volk« und »Deutschland einig Vaterland«, vor allem auf den Montagsdemonstrationen in Leipzig. Und wer von uns in der zweiten Dezemberhälfte nach Ostberlin und in die DDR kam, dem schlug dieselbe Stimmung entgegen, die auch Kohl kurz vor Weihnachten an der zerstörten Frauenkirche in Dresden unüberhörbar miterlebte. Der Rubikon war überschritten. Die zweite Wende gewann die Oberhand. Die Mehrheit der Bevölkerung drängte auf Vereinigung.

Der außenpolitische Erfolg auf dem Weg zur Vereinigung
    Die entscheidenden Schritte zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands sind mittlerweile hinreichend oft beschrieben worden. Fast alle Hauptakteure des In- und Auslandes haben Bücher darüber geschrieben oder schreiben lassen, und natürlich decken sich ihre Schilderungen nicht immer. Dabei kommt auch ein mehr oder weniger verdeckter internationaler Wettbewerb um eigene Verdienste und fremde Versäumnisse zum Ausdruck. Unter Menschen ist das normal. Es ist auch interessant. Aber für das Wesentliche dieser Zeit ist es nicht genug.
    In Europa ging über den jahrzehntealten Status quo des Kalten Krieges ein Erdrutsch hinweg, für den es kein Beispiel in der Geschichte gab. Seine Kraft war unaufhaltsam. Niemand hatte ihn so planen können, wie er kam. Keiner konnte klar übersehen, wo er münden würde. Um so entscheidender war es, seine Dynamik zu begreifen, ihn im Rahmen des Möglichen zu kanalisieren und auf einen guten Weg zu lenken. Das war und das ist immer die wichtigste Anforderung an die Verantwortlichen. Was von uns allen verlangt wird, ist, uns nicht schlechthin zu Meistern der Geschichte aufzuwerfen, sondern uns von unseren hergebrachten Vorurteilen und Ängsten zu lösen, damit wir das Entscheidende fertigbringen: im Angesicht der fundamentalen Bewegungen unserer Zeit auf ihrer Höhe zu denken und zu handeln.
    Die Wende in Europa und in Deutschland war voller gewaltiger Ungewißheiten. Niemandem fehlte die Phantasie, sich die immensen Gefahren, die Möglichkeit von Gewalt und Blutvergießen vorzustellen. Zugleich boten sich ungeahnte Chancen an und hätten doch ungenutzt verstreichen können.
    In dieser Lage war es ein großes und historisch seltenes Glück, daß die wichtigsten Akteure im vereinten Handeln ihrer Verantwortung gerecht wurden.
    Gorbatschow hatte dabei, zusammen mit seinem Außenminister
Schewardnadse, den größten Mut zu beweisen und vor allem die schwerste Last zu tragen. Er war es, der dafür einstand, den friedlichen Verlauf der Umwälzungen zu sichern. Und als es im Jahre 1990 um die Entscheidungen über den internationalen Status eines vereinigten Deutschlands ging, mußte er in einem kurzen Zeitraum die Kraft aufbringen, seine ursprünglichen Ziele einer fundamentalen Überprüfung und

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