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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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diesen ausgetrockneten Dingern, die fast lebendig wirken, die aussehen, als würden sie jeden Moment mit den Fühlern tasten und mit den Beinen nach Halt suchen. Weit würden sie nicht kommen, die toten Tiere, ein gemeiner Kerl hat Nadeln durch sie gestochen …
    Diese dunkelbraunen Flecken zu meinen Füßen müssten Blut von Paula sein, hier saß sie, als sie sich am Glas geschnitten hat. Ich hab' ihren Finger verbunden und danach hatten wir verdammt leckeren Sex. Ich verlasse die Wohnung und wähle die Nummer meiner … nun ja, Liebsten.
    „Hi Lena.“ Sie klingt genervt.
    „Hallo Paula, ich wollte nur fragen, wann du nach Hause kommst.“
    „Ich brauch noch 'ne Stunde. Kochst du uns irgendwas?“
    „Ja, kann ich machen.“
    „Okay, dann bis nachher.“
    „Bis nachher … sollen wir uns dann ...“
    Paula hat schon aufgelegt. Ein paar Sekunden halte ich mir noch das Handy ans Ohr, dann laufe ich weiter, weiter durchs Haus. Ich laufe durch die Stockwerke und versuche, mich nicht zu sehr über sie zu ärgern.
    Als ich an der Wohnung ankomme, hinter der vor Jahren jemand verbrannt ist, da öffne ich ohne groß darüber nachzudenken die Tür. Nein, da steht kein verkohlter Mann auf dem dunklen Flur, nur ein bitterer und unglaublich muffiger Geruch kommt mir entgegen. Schnell schließe ich die Tür … wer weiß schon, was da alles an Schimmelsporen herumschwirrt. Ich verlasse den dritten Stock und gehe zurück in den vierten … den ersten und den zweiten Stock lasse ich heute aus.
    Gerade ist mir das Versprechen eingefallen, das ich Strauss gegeben habe. Ich will es hinter mich bringen, solange es noch hell ist … muss nur noch meine alte Digitalkamera finden. Obwohl … eigentlich kann ich auch das Handy nehmen.

Hallo Aufzug, altes Scheißding. Immer noch da? Ich gehe an dem roten, samtigen Maul vorbei, gehe am Feuerlöscher vorbei (Na, sprichst du immer noch nicht mit mir?) und betrete den runden Flur. Links von mir die Wohnung von Frau Diehl, dann die ihrer Schwester, und dann unsere. Ich weiß nicht warum, aber ich gehe rechts herum, umrunde den Schacht des Innenhofes, gehe vorbei an unserer Wohnung und bleibe vor der Tür stehen, hinter der die Schäbigkeit liegt, die mich Herr Strauss zu fotografieren bat.
    Als ich mit dem Generalschlüssel die Tür öffne, da fällt mir auf, dass das grüne Fotoalbum weg ist, Frau Diehl hat es also wieder an sich genommen. Wer weiß, vielleicht finde ich es auch in der Wohnung, die ich gerade im Begriff bin zu betreten. Wundern würde es mich nicht, nur erschrecken.
    Ich öffne die Tür und mir kommt der vertraute säuerliche Geruch entgegen … allerdings längst nicht so brutal wie aus der ausgebrannten Wohnung. Ich betrete den langen Flur und öffne die Tür zum Wohnzimmer. Jetzt habe ich eine gerade Linie, eine offene Strecke von den Fenstern bis zum Etagenflur … einen … nun ja, einen Fluchtweg. Aber wozu brauche ich einen Fluchtweg? Selbst wenn ich eine Erscheinung haben sollte, was soll denn passieren? Wahrscheinlich könnte ich durch das große schwarze Tier, das ja letztlich nur ein entstelltes Mädchen in einem Affenkostüm ist, hindurchgehen wie durch Luft. Okay, vielleicht wäre es furchtbar kalte Luft … aber ich glaube kaum, dass ich gegen dieses Vieh stoßen würde, dass ich sein Fell auf meiner Haut spüren würde, dass es mich packen und festhalten könnte. Ich glaube kaum, dass es mir … Ach Lena, hör auf zu glauben, du weißt es einfach nicht, du weißt nicht, wozu es … wozu sie imstande ist!
    Vier Schritte und ich öffne die Tür zu dem Zimmer mit dem Schaukelstuhl. Hier war – ich bin mir ganz sicher – das Kinderzimmer, der Raum, den die Kinder als unsicher betrachteten, in dem sie nicht schlafen wollten. Hier ist das Zentrum des Spuks, hier ist sie zu Hause.
    Und hier bin jetzt auch ich. Kannst du mich sehen? Freust du dich über meinen Besuch? Hast du vielleicht Angst vor mir? Beneidest du mich dafür, dass ich nicht tot bin, dafür, dass in meinen Adern warmes Blut fließt und ich gehen kann, wohin ich will, während du in diesem alten, stinkenden, nach und nach zerfallenden Haus feststeckst?
    Der alte Stuhl liegt auf der Seite, er liegt exakt so, wie ich ihn vor einigen Tagen hingelegt habe. Ich mache zwei Fotos, stelle den Stuhl auf und setze mich ganz vorsichtig in das hölzerne Gerippe. Als ich ein klein wenig schaukle, da gibt das blöde Ding ein Geräusch von sich, das sich anhört wie in langgezogenes, heiserer Stöhnen. Sofort

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