Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)
Radio brauchen.“
Er sagt es eher zu seiner Kleinen als zu mit. Aber ich antworte ihm, das ist meine Chance.
„Gibt es bestimmt da unten. Also wie gesagt … ihr könnt mitkommen und euch umsehen.“
„Jetzt gleich?“, fragt mich das Mädchen, dem ich immer noch nicht zu hundert Prozent abnehme, dass sie volljährig ist. Vielleicht war der Ausweis 'ne gut gemachte Fälschung.
„Ja, jetzt gleich. Ich war gerade schon auf dem Weg nach unten.“
Nur ein paar Minuten später stehen wir zu dritt vor der großen, mattgrau lackierten Metalltür, hinter der die Kellerabteile liegen. Mein Plan hat funktioniert, ich muss nicht allein in die Dunkelheit … und vor allen Dingen nicht alleine in Keller Nummer 24. Vor ein paar Tagen noch habe ich den beiden erzählt, dass sie nicht ins Haus dürfen, und jetzt lasse ich sie selbst rein.
„Okay, da sind wir.“
Ich schalte die armdicke Taschenlampe an.
„Ist da kein Licht drin?“, fragt mich das Mädchen.
„Nein, hier ist kein Strom … nur drüben im Waschraum und hier im Flur.“
„Wieso soll da kein Strom sein?“, fragt mich der Typ, dessen Namen ich immer noch nicht weiß.
„Keine Ahnung, ist eben abgestellt.“
Ich drehe den Schlüssel im Schloss und ziehe die große Metalltür auf. Hinter mir Schritte, hauen die jetzt ab? Ich klemme die Tür fest und drehe mich um. Das Mädchen ist noch da, der Typ nicht. Auf einmal seine Stimme:
„Gleich ist wieder Strom.“
Ich sehe ihn nicht. Er steht hinter der Ecke, irgendwo vorne beim Aufzugschacht. Was zum Teufel treibt der da? Plötzlich ein Klacken, wie von einem Schalter, der einrastet.
„Jetzt versuch mal, das Licht anzumachen.“
Ich drücke den Schalter und gelbes, schmutzig-dumpfes Licht füllt den großen, in hölzerne Abteile geteilten Raum. Oh Gott, was bin ich bescheuert. Ich hätte gestern nur die scheiß Sicherung reinmachen müssen … stattdessen stolpere ich im Dunklen rum und fürchte mich vor toten Männern. Bravo Lena, ganz große Klasse. Du hast den grauen Sicherungskasten gesehen und bist einfach dran vorbei gelatscht. Zum Glück verzichten der Typ und seine Kleine auf irgendwelche Kommentare, sie grinsen nur ein bisschen. Zusammen gehen wir hinein.
Abteil 24 liegt im hinteren Teil des Kellers und ist eines der größten. Die kleinen Abteile haben um die drei Quadratmeter, die größten etwa zehn, die mittleren irgendwas dazwischen. Ich stehe vor dem Holzgitter und leuchte mit der Taschenlampe in das Abteil. Kein blau angelaufener Selbstmörder, auch kein schwarzes Tier … nur Gerümpel: Möbel, Kartons, alte Decken, schwarze, staubige Plastiksäcke … weiter hinten – das Abteil ist bestimmt sechs Meter lang – erkenne ich einen großen, alt aussehenden Schrank mit allerlei Geschnörkel. So einen Ähnlichen hatte früher mein Opa im Schlafzimmer stehen. Ich und mein Bruder haben uns immer in diesem Schrank versteckt, er hat dann den Schrank geöffnet und so getan, als würde er sich furchtbar vor uns erschrecken. Als wir älter wurden, da langweilte uns dieses Spiel. Opa hätte wohl noch weitergemacht.
Ich schalte die Taschenlampe aus und schaue mir das Vorhängeschloss an, das Abteil 24 vor Leuten wie mir schützen soll. Es ist klein und sieht nicht besonders stabil aus, vielleicht kann ich das irgendwie abbrechen … oder den Bügel herausreißen. Das Ding sieht wirklich nach Spielzeug aus, das muss doch irgendwie …
Während ich an dem kalten, scharfkantigen Schloss zerre, höre ich es scheppern, meine beiden Begleiter sind in einem der anderen Abteile zu Gange. Ich zerre weiter, aber nichts tut sich, das kleine Miststück hält trotzig stand und mir tun die Hände weh. Eher reiß ich die ganze Tür raus, als dass dieses blöde Schloss nachgibt. Ich gebe auf und lasse das Ding los. Schloss gegen Lena: 1 zu 0 … vorerst!
„Soll ich dir helfen?“
Ich habe ihn gar nicht kommen gehört. Plötzlich steht er neben mir, der Typ aus der Küche, der Typ, der es mit Sicherheit nicht bis nach Kanada schaffen wird. In dem gelben Licht der verdreckten Glühbirnen sieht er noch verbrauchter aus.
„Ja, gerne. Sag mal, wie heißt du eigentlich?“
Er fingert an dem Schloss rum, betrachtet es von allen Seiten.
„Du kannst Tobi zu mir sagen.“
Okay, Tobi und Kerstin also. Der Typ, zu dem ich Tobi sagen kann, lässt das Schloss los.
„Willst du da rein?“
„Ja.“
„Dann geh mal 'n Stück zur Seite.“
Ich hatte ja erwartet, dass er das Schloss irgendwie knackt … mit
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