Vilja und das Raeuberfest
hätte ich auch die zweite Geige in Ypäjävuori spielen und dabei zusehen können, wie Papa und Mama in der ersten Reihe Tränen vergossen, weil ihre Tochter glücklicherweise endlich zur Vernunft gekommen war. Stattdessen hatte ich mich aber dazu entschieden, die Sachen von den Angeber-Räubern zu stehlen, die mich, würden sie mich erwischen, ohne lange zu zögern, gefangennehmen und anschließend meine Zehen wie Grillwürstchen auf dem Rost braten würden.
Das war jetzt einfach nur meine Art, einen netten Sommertag zu verbringen.
Als ich mit meiner Beute nach erfolgreicher Mission aus dem Pärnänen-Lager schlüpfte, tanzte ich einen lautlosen Siegertanz. Mit Hilfe meiner » gefundenen« Sachen würde Hele beim Quiche-Backen schon klarkommen, aber nun wollte ich mit meinem Raubzug weitermachen. Meine Arbeit vereinfachte sich, weil immer mehr Leute ihre Lager verließen, um zum Krawall der Räuberbergs zu eilen.
» Warte nur, du unterentwickelter, glatzköpfiger Lulatsch!«, hörte man den Wilden Karlo brüllen, anscheinend zu Glitzer-Kimi Pärnänen. Das Geschrei war so laut, dass ich jedes einzelne Wort hören konnte.
Auch dem Lager der Levanders stattete ich einen kurzen Besuch ab. Es fühlte sich schlecht an, die Zelte kaputt zu machen, weil ich wusste, dass es das Zuhause von jemandem war. Deshalb änderte ich meine Technik: Ich wählte das am entferntesten gelegene Zelt aus, wartete auf den lautesten Moment, drehte mich dann blitzschnell in der Türöffnung um und schnappte mir eine Tasche, die an eine Essenstasche erinnerte. Diese öffnete ich aber erst, als ich mich bereits wieder vom Ort des Raubes entfernt hatte.
Als ich jedoch merkte, dass sie nur ganz normale Vorräte enthielt – Quiches, Schokolade, Haferflocken, also Essen, dass wir auch im Bus hatten –, brachte ich die Tasche zurück. Besonders schlecht fühlte ich mich, als ich die Großpackung mit den Babysäften sah und die Früchtebrei-Gläschen. Die anständig wirkenden Levanders, die einen ganzen Stall voller Kleinkinder hatten, sollten nicht wegen dem Wettkampf-Chaos Hunger leiden!
Es war natürlich mal wieder typisch, dass ich in meinem Anfall von Ehrlichkeit fast geschnappt worden wäre. Ich hatte gerade die Tasche zurückgebracht und war der Türöffnung des Zeltes noch gefährlich nahe, da kam mir plötzlich Mia Levander aus der Richtung der Räuberbergs entgegen, und mit ihr eine ältere Räuberin. Sie hätten mich sehen können, wären sie nicht so darauf konzentriert gewesen, eine Horde Kinder von der Rauferei wegzuführen. Das gab mir den einen benötigten Moment Zeit, um zu reagieren: Mit einem Sprung im Aikido-Stil warf ich mich über die Zeltecke hinweg und in den Sichtschutz hinein. Dann versuchte ich, die Luft anzuhalten. Ein leichtes Panik-Schnaufen konnte ich jedoch nicht unterdrücken, und es fühlte sich an, als wäre es bis zum nächsten Lager zu hören. Ich beugte mich vorsichtig nach vorne und sah, wie die Frau in den Vierzigern, die trotz der Hitze einen Filzhut trug, sagte: » Konzentrier dich einfach nur, Mia. London und Mika haben ein Auge drauf, wie es läuft. Dein Vater wird die Sache schon regeln, wenn richtig gekämpft werden muss. Das ist wieder ein neuer Trick von diesen Räuberbergs. Und das genau vor den Wettkämpfen! Total unsportlich!«
» Ich hätte Lust gehabt, noch dazubleiben und zuzuschauen«, sagte Mia Levander wehmütig. Sie war eine große, dunkelhaarige und schöne Frau, die man eher in einem Straßencafé in einer Großstadt als in einem Räuberlager vermutet hätte. » Es wird wieder ein langes Jahr vergehen, in dem wir keinen sehen.«
» Das stinkt nach einem riesengroßen Betrug!«, vermutete die Frau mit dem Filzhut. » Hele hat die Sache ins Rollen gebracht, und wollen wir wetten, dass die schon mit Gurkenscheiben auf den Augen im Bett liegt, während Hilda sich um den Rest kümmert? Die lassen die Pärnänen so lange schreien, bis diese müde wird. Am Morgen, wenn das Ringen bei den anderen schlecht verläuft, ist das dann nach Karlo Räuberbergs Meinung ein Markenzeichen. Und dieser Mann hisst dann bestimmt noch vor lauter Begeisterung seine Unterhose als Freudenfahne!«
Meine Raubtour war nach und nach zu einer Spionage-Tour geworden. Zum ersten Mal hatte ich die Möglichkeit, zu hören, was die anderen Sippen über die Räuberbergs dachten. Die Räuberbergs machten tatsächlich den Eindruck, ziemlich eingebildete Nervensägen zu sein! Leute, die, sobald sich die Situation ergab,
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