Vilja und das Raeuberfest
Fachgebiet gibt, weiß ich natürlich nicht. Krapfen-Backkunst-Fachprüfung?«, fragte ich. » Eine Zwischenprüfung über die Ernte von kleinen und weichen Erdbeeren? Europäisches Zertifikat über eine Erdbeer-Geschmacksprobe mit verbundenen Augen – also darüber, dass du die einzelnen Erdbeersorten voneinander unterscheiden kannst?«
Das Buhen des Publikums war zu einem schallenden Gelächter geworden. Jetzt verstand ich erst, dass die gar nicht mich ausbuhten, sondern Paula Partanen, die sich dazu entschieden hatte, die Angelegenheiten ihrer Steuerzahler-Tochter zum Thema beim Sommerfest zu machen. Ihre Oberlippe zuckte und ihre Fingerspitzen rieben aneinander. Sie war wütend und verletzt. Oje, beim SCHWINDEL n konnte man wahrhaftig lebenslange Feindschaften schließen!
» Zweiter Satz: Wir kämpfen im SCHWINDEL n und verletzen dabei die Regeln, oder etwa nicht?«, fuhr ich im selben Atemzug fort. Paulas Augen blitzten auf, und sie hob ihr Kinn um einen Millimeter. Sie war sicher, dass ich bei diesem Satz in die Falle tappen würde.
» Nach wessen Regeln kämpfen wir denn eigentlich?«, fragte ich. » Es stimmt, nach den Regeln des Großen Pärnänens wurde der Wettkampffrieden schon einige Male verletzt. Dann gibt es aber noch andere, ältere Regeln, welche das Standardwerk der finnischen Räuberei bilden.«
Paula Partanen wurde bleich und ihr Blick, der selbstbewusst auf mir geruht hatte, glasig.
» Dieser Satz ist eine Lüge«, flüsterte ich und hoffte, dass das lärmende Publikum mich nicht hören konnte. » Er IST eine Lüge, weil wir genau diesen älteren Räuberregeln folgen – Helmeri Kvists Regeln!«
Im Zelt war es wieder mucksmäuschenstill geworden. Die Menschen schienen da, wo sie gerade standen, festgewachsen zu sein. Alle Streitigkeiten um die besten Plätze hatten aufgehört.
» Helmeri Kvists Ratgeber: Der kurze und praktische Ratgeber auf dem Weg zur Räuberei, 1884«, fügte ich noch hinzu, als keiner einen Handschlag zu tun schien, um einen Kampf – entweder zu meinem Gunsten oder Ungunsten – anzufangen.
» Die Lüge ist Satz zwei«, sagte ich und winkte dem Schiedsrichter zu, der aufmerksam das Spiel verfolgte. » SCHWINDEL , Schwindel-Meisterin!«
» Die Teilnehmerin tippt auf Nummer zwei«, verkündete der Schiedsrichter endlich. » Die Lüge IST Nummer zwei! 1:0 für Vilja-Tuuli Vainisto!«
Keiner klatschte. Stattdessen stampften die aufgeregten Zuschauer rhythmisch mit den Füßen, um so etwas wie Anerkennung zum Ausdruck zu bringen. Ich hörte aber genauso viele Buhrufe wie Fuß-Gestampfe.
Als ich nun selbst an der Reihe war, war das ziemlich unbedeutend im Vergleich zu dem dramatischen Auftritt von Paula Partanen. Sie machte einen verwirrten Eindruck, ihr Blick zuckte umher, und sie schien Wahrheit nicht von Lüge unterscheiden zu können.
1) Die Pläne der Räuberbergs und der Stopper bezüglich der Thronfolge um den Posten des Räuberbosses sind ziemlich gut entwickelt.
2) Ich bin eine gute Messerwerferin.
3) Bei diesem Sommerfest gab es bereits mindestens eine Sabotage.
Fast hätte ich einen Fehler gemacht und Satz zwei zu einem Ich glaube, dass -Weichei-Satz formuliert, vor denen mich Hele gewarnt hatte. Im Nachhinein verfluchte ich es dann aber doch, dass ich es nicht gemacht hatte, denn es hätte Paulas Aufmerksamkeit mit Sicherheit auf den falschen Satz gelenkt. Nummer zwei war aber trotzdem nicht geschwindelt, sondern die Lüge war in Satz eins versteckt. Ich wollte die Lüge gleich am Anfang loswerden, damit Paula meine Körpersprache noch nicht mit der der vorherigen Sätze vergleichen konnte.
» Satz eins ist wahr«, tippte sie. » Das Mädchen versucht hier Werbung für ihre eigene Gruppe zu machen und das auf unsere Kosten! Pauli ist ein ziemlich guter Zehner, danke für dein Vertrauen!«, sagte sie so eiskalt zu mir, dass sich mein Atem mit Reif überzog.
» Ganz zufällig hast du die 27er-Straße selbst zur Sprache gebracht«, schrie eine Offizierin, die das Messer-Symbol der Fliegenden Stilette trug.
Paula Partanen schob sich eine Strähne ihrer Prinz-Eisenherz-Frisur hinter das Ohr. Das war also ihr Zeichen, wenn sie nervös war – das hatte ich gar nicht bemerkt, als sie dran gewesen war! Die Schiedsrichter hatten eine Menge zu tun, bis sich das Publikum wieder beruhigt hatte. Erst dann konnten wir fortfahren. Die Kämpfe von der Alten Hanna und Martha Hurmala sowie von Markus und Contra-Conny Pärnänen verfolgten neben den Schiedsrichtern
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