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Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Titel: Vilja und die Räuber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siri Kolu
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vermied es zu antworten.
    Nachts war es im Bus sehr gemütlich. Unter der einen Sitzbank konnte man einen Lattenrost hervorziehen, der so auf beide Bänke passte, dass ein Schlafplatz von der Größe eines Doppelbettes entstand. Aus dem Autoradio kam leise Musik. Die Gardinen ließen sich ganz zuziehen. In der Abenddämmerung sah man hinter den Gardinen die Schatten der erhängten Barbiepuppen.
    » Rate mal, was ich manchmal denke«, sagte Kalle, als wir schon eine Weile im Bett gelegen, an die Decke gestarrt und aufs Einschlafen gewartet hatten. » Ich denke: Ich würde alles tun, um du zu sein.«
    » Aha«, sagte ich verblüfft und drehte mich zu ihm um. » Wie meinst du das?«
    » Irgendwann wirst du trotz allem nach Hause zurückkehren. In dein eigenes Leben.«
    » Das ist nichts, was man sich wünschen würde«, sagte ich und dachte an all die Nachmittage, die ich mit Vanamo gestritten hatte, an die Abende, wenn Papa in seinen Laptop starrte und Mama beim Kochen pausenlos in ihr Handy sprach. Als ob wir gar nicht da wären.
    » Hast du ein eigenes Zimmer?«, fragte Kalle.
    » Ja«, sagte ich und dachte an mein Zimmer, das bis aufs i-Tüpfelchen aufgeräumt war. Selbst die Puppen waren nach Größe geordnet, obwohl ich fast nie mehr mit ihnen spielte. Auf dem Schreibtisch eine Büchse mit gespitzten Bleistiften und eine mit Buntstiften. Dann dachte ich an Vanamo, die ständig etwas aus meinem Zimmer klaute. Sachen, die man in Vanamos Schweinestall unter all ihren Lipglossdöschen, Jeanshosen und aus Zeitschriften ausgeschnittenen Liebestests nie mehr wiederfand. Da wurde ich ein bisschen wehmütig und dachte, es wäre doch schön, eine Weile in meinem Zimmer sein zu dürfen. Wenn auch nur ganz kurz.
    » Fantastisch«, seufzte Kalle. » Bei mir würde an der Zimmertür stehen: ›Zutritt verboten!‹«
    Er schloss die Augen, und ich glaubte zu sehen, wie er sich ein Totenkopfschild an seiner Tür vorstellte .

    Dies ist das Reich Kalles des Schrecklichen, Zutritt verboten!
    Was hätte er wohl in seinem Zimmer? Totenschädel? Piratenschiffe? Einen Nachttisch in Form einer Schatztruhe? Bilder der berühmtesten Räuberfürsten?
    » Ich glaube«, sagte Kalle mit immer noch geschlossenen Augen, » wir geben dich zurück, wenn der Sommer vorbei ist. Im Winter ist es überall so eng, wenn wir mal hier, mal da übernachten. Und vorher ist Herbst, und da fängt ja für dich die Schule an.«
    » Ja«, sagte ich.
    Es war ein komisches Gefühl, über mein eigenes Leben zu sprechen, während ich gar nicht sicher war, ob ich jemals dorthin zurückkehren konnte. Als ich an mein Zimmer dachte, war mir klar geworden, dass ich gerade ein wunderbares, perfektes Abenteuer erlebte.
    » Ich würde auch gern in die Schule gehen«, sagte Kalle, der mir jetzt ernst in die Augen sah. » Hele lacht immer, wenn ich versuche, etwas zu lesen. Ich habe viele Bücher, aber die haben alle ein Loch von Heles Klappmesser.«
    Wir schwiegen lange. Ich wackelte unter der Decke mit den Zehen. Der Bus war wie ein geheimer, magischer Ort, wo man alles sagen konnte.
    » Übrigens, warum hätte ich das Spiel verlieren müssen?«, wagte ich schließlich noch einmal zu fragen. Ich ahnte, dass dies der richtige Augenblick war, um Antworten zu bekommen.
    » Das ist eine lange Geschichte«, sagte Kalle. » Papa kriegt Rückenschmerzen, wenn er im Zelt schlafen muss, und dann haben wir den ganzen nächsten Tag darunter zu leiden.«
    Kalle sprang noch einmal aus dem Bett und spähte durch die Busfenster. Nur um sicherzugehen, dass keiner von den Räubereltern hinter der Tür stand und unser Gespräch belauschte.
    » Hele schläft da draußen in ihrem Stuhl«, er grinste. » Dabei ist jetzt Sonnenaufgang. Den verpasst die glatt.«
    » Aber warum müsst ihr dann jeden Abend um die Schlafplätze spielen?«, fragte ich erstaunt. » Wenn der Wilde Karlo doch immer gewinnen muss?«
    Kalle kroch wieder neben mich und stöhnte vor Genuss, als er sich in die weichen Kissen legte. » Wie meinst du das? Sollen wir etwa nicht spielen? Darauf würde sich Papa niemals einlassen. Oh nein«, kicherte er, als er mein verblüfftes Gesicht sah. » Papa hat Angst, als Weichei zu gelten, wenn er da schläft, wo er eigentlich schlafen will. Wir Räuber sind wirklich ein bisschen komisch.«
    Wir kicherten eine Weile zusammen.
    » Überleg doch mal, vorbestimmte Schlafplätze, wie spannend und räubermäßig wäre das?!«
    Kalle schlief schnell ein. Er rollte sich auf seinem Kissen

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