VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)
Menschen hier arbeiteten, gab er Eliza das Gefühl, allein mit ihr zu sein, nur mit ihr zu sprechen. Alles andere war unwichtig. Sogar die Beklemmung ihrer Lungen schmerzte weniger. Die Augen des Kapitäns waren dunkel und ruhig und konzentriert. Er achtete nicht auf Elizas knochige Figur und ihre kurzgeschnittenen blonden Haare; er schaute ihr in die Augen.
»Sie wollten mich sprechen?«, sagte Eliza, und Tullama schüttelte langsam den Kopf. »Ich hatte eher das Gefühl«, entgegnete er, »dass Sie mich etwas fragen wollen – oder sollten, um genau zu sein.«
»Ich wüsste nicht, was«, sagte Eliza, die keinen Grund sah, mit ihrer Meinung hinterm Berg zu halten. »Ihre Leute sind auf dem Planeten eingefallen wie die Heuschrecken, wie bis an die Zähne bewaffnete Heuschrecken. Die Vilmer wurden behandelt wie ein Wurf Jungschweine, die sich verlaufen haben und durch ein Seuchenbad zurück in den Stall getrieben werden müssen.«
»Sie haben eine blumige Ausdrucksweise«, sagte Tullama.
»Sie haben schlecht beratene Zentralier«, sagte Eliza. Sie fühlte mehr, als sie sah, wie Doktor Schyberg neben ihr Luft holte, und hätte sie hinübergeschaut, wäre ihr des Mediziners tiefrote Gesichtsfarbe aufgefallen. Ganz so, als wäre er es und nicht sie, dem die Atemluft des Raumschiffs Schwierigkeiten bereitete.
»Wenn meine Informationen stimmen«, sagte Tullama, seine Stimme wurde leiser, »dann sind Sie auch einer, Eliza Simms.«
»Ich war es einmal«, sagte Eliza, und sie zuckte unwillkürlich die Schultern, was wegen des Armstumpfes etwas seltsam aussah. »Zusammen mit dem Arm ist mir die gesamte Installation abhanden gekommen. Oder, um es weniger blumig auszudrücken, wenn Ihnen das mehr zusagt: Die Implantate sind bei einer unklugen, indes wichtigen Aktion explodiert. Durch Überlastung, vermutlich. Das Zeug ist schuld daran, dass ich einarmig bin.« Tullama antwortete nicht, er blickte zu Doktor Schyberg hinüber. Der räusperte sich und trat einen Schritt vor; man hatte ihm das Wort erteilt, er durfte sprechen.
»Natürlich wird man Ihnen eine Prothese anpassen«, sagte er, »das dürfte keine Probleme geben. Leider ist es durch die ... äh ... ungewöhnlichen Umstände des damaligen Unfalls nicht möglich, aus körpereigenem Gewebe einen neuen Arm wachsen zu lassen und zu replantieren. Die natürlichen Nervenbahnen sind so weit zerstört, dass er einfach nicht anwachsen würde, und ...«
»Ersparen Sie uns die Einzelheiten«, sagte Tullama, »kommen Sie zum Wesentlichen.« Doktor Schyberg wechselte ohne Schwierigkeiten das Thema und kam auf Elizas gesunden Arm zu sprechen. Zuerst konnte Eliza nicht fassen, was man ihr vorschlug; dann schlug ihre Wut in Zweifel um und in Verlockung. Der Arzt sprach von völlig intakten Nervenbahnen ihres rechten Arms, von ihrem ausgezeichneten Gesamtbefund und davon, dass es angesichts der vor etlichen Jahren durchgeführten Abstimmung ihres Nervensystems problemlos möglich sein müsse, die Adapter für das Zentralier-Kommunikationssystem in die rechte statt in die linke Hand zu implantieren, einschließlich der Verstärker, Umsetzer, Datenpuffer, Programmspeicher, die im Unterarm ein komplettes neues Interface bilden würden. Langer Rede kurzer Sinn, man bot ihr die Möglichkeit, die längst aufgegebene Existenz als Zentralier wiederzugewinnen, dort weiterzumachen, wo sie der Absturz der Vilm van der Oosterbrijk aus der Laufbahn gestoßen hatte. Man bot ihr neben einer High-Tech-Prothese eine komplette Neuinstallation der vor Jahren verglühten Netztechnik in ihrem Körper an. Eine Hintertür in die verschlungenen Pfade von Atibon Legba. Eliza war sprachlos und starrte erst Doktor Schyberg, dann Tullama an. Fast vergaß sie zu atmen. Der Kapitän lächelte und entließ den Arzt mit einer beiläufigen Handbewegung. Eliza konnte es kaum fassen, wie gut der Mann spurte. Der Arzt trollte sich, als habe ihn ein Geist retour in seine Flasche gewünscht, und trat wieder zurück. »Sie sind überrascht«, sagte Tullama.
Eliza nickte; sie musste sich bei jedem Atemzug anstrengen, um überhaupt Luft zu holen. Es war besser, gar nichts zu sagen, als dass ihr vor all diesen Leuten mangels Sauerstoff die Stimme den Dienst verweigerte.
»Darf ich Ihnen etwas zeigen?«, fragte der Kapitän. »Sie verstehen dann besser, was ich von Ihnen will.« Er wies auf eine Tür, die sein privates Siegel trug, sein Quartier; natürlich hatte der Kapitän eines Weltenkreuzers einen direkten Zugang
Weitere Kostenlose Bücher