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VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)

VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)

Titel: VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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Statue hinauf. »Womöglich tut er das jetzt noch«, sagte er. »Wir haben keinerlei Erfahrungen mit diesem Zustand. Könnte sein, dass er da drin noch lebt, oder etwas von ihm.«
    Eliza schaute der Statue ins Gesicht und suchte nach einem Funken Leben in den steinernen Kugeln der Augäpfel. Eigenartigerweise wirkten die etwas feucht, als habe sich ein wenig Tränenflüssigkeit erhalten oder als wäre der Fels sorgsam poliert. Es war außerordentlich schwer, daran zu glauben, dass im Innern dieses Dinges aus geädertem Fels etwas oder jemand lebte.
    »Und ich habe ihm versprochen«, sagte Tullama, »sein Vorhaben zu verwirklichen, die Überlebenden der Oosterbrijk zu retten. Ich konnte nicht ahnen, dass die sich gar nicht retten lassen wollen.« Tullama schüttelte den Kopf, kreuzte die Arme vor der Brust und sah die Einarmige Eliza an, als er weitersprach. »Ich stehe dieser Situation hilflos gegenüber. Deswegen biete ich Ihnen diese Implantation an, auf Kosten der Armorica, und danach könnten Sie so etwas wie der Vermittler sein zwischen uns und denen dort unten. Sie sind früher Zentralierin gewesen und wissen, was alles mit diesem Status verbunden ist. Sie wissen auch, dass Sie gewisse Möglichkeiten auf Atibon Legba hätten.«
    »Das weiß ich«, sagte Eliza, »das weiß ich nur zu gut.« Sie wusste auch, was eine solche Operation kostete; fast alle Zentralier arbeiteten in den ersten zwölf bis fünfzehn Jahren ihres verdrahteten Daseins nur dafür, die Einpflanzung der Instrumente zu bezahlen. Danach, so war die Planung der meisten, sollten andere Zeiten anbrechen. Eliza wusste es inzwischen genauer.
    Sie drehte sich zu Tullama um. Der sah sie erwartungsvoll an. Und fast hatte sie das Gefühl, auch die Steinfigur des nackten Mannes hinter ihm würde sie anblicken. Du liebe Güte, dachte Eliza, und ihr habt keine Ahnung, mit wem ihr euch da anlegt; ich weiß es selber kaum. Ich bin froh, wenn ich Luft bekomme. »Ich brauche Bedenkzeit«, sagte sie.
    »Natürlich. Kein Problem. Nehmen Sie Kontakt mit mir auf, wenn Sie so weit sind. Einfach ins Netz gehen und meinen Namen sagen. Die Rechner werden Sie sofort zu mir durchstellen.« Eliza wusste, was das bedeutete. Irgendein halbschlaues Programm kreiste in den Datenbahnen des Weltenkreuzers und lauerte auf den Namen Tullama, ausgesprochen mit ihrem gespeicherten Stimmmuster. Sie nickte.
    »Doktor Schyberg müsste die Vorbereitungen inzwischen abgeschlossen haben«, sagte Tullama und geleitete Eliza freundlich, aber unmissverständlich zur Tür. »Lassen Sie sich die Prothese anpassen und gehen Sie wieder hinunter. Ich höre von Ihnen.«
    Damit stand Eliza plötzlich allein im Gewimmel der Zentrale, ein idiotisches Lächeln im Gesicht, und starrte betäubt auf die Bildschirme, deren Darstellungen jetzt flach, detailarm und farblos wirkten. Die ätzende Luft umgab Eliza von allen Seiten, und beim Gedanken daran, dieses trockene und feindliche Gas einzuatmen, taten ihr alle Rippen weh.
    Doktor Schyberg kam mit langen Schritten auf sie zu und komplimentierte sie zurück in den Aufzug, ehe sie zur Besinnung kommen konnte. Glücklicherweise hatte Eliza die Zentrale der Armorica verlassen, ehe ihr die verhassten Erinnerungen wieder gegenwärtig werden konnten, und sie atmete erst im Aufzug weiter, in dem die Luft weniger nach Tod roch, sondern nach dem sündhaft teuren Eau de Toilette des Arztes. Kurze Zeit später hing ihr ein hochkompliziertes Ding aus Elektronik, Mikromechanik und fleischfarbenem Kunststoff an der Schulter und zuckte unmotiviert. Angeblich Hochtechnologie von Atibon Legba. Eliza beäugte es misstrauisch. Das sollte ein neuer Arm sein? Dieses Etwas, das sich von allein in einem irgendwie gestörten Rhythmus bewegte?
    »Das ist eine Frage des Trainings«, sagte Doktor Schyberg und hantierte an der Einstellung des Kunstarms herum. »Das Kunstglied und Ihr Gehirn müssen sich erst aneinander gewöhnen, sich langsam aufeinander einspielen. Ich empfehle ein regelmäßiges Training, täglich zwei Stunden, und einen wöchentlichen Besuch in der Rehabilitation.«
    Eliza tat die Schulter jetzt bereits weh von dem ungewohnten Gewicht. Dazu kam, dass sich ihre Lungenflügel wund anfühlten. Endlich wieder vilmsche Luft atmen! Eliza kam sich vor, als sei sie von einem tierhaften Apparat angefallen worden, und die Vorrichtung habe sich an ihrem Körper festgebissen. Fast spürte sie die elektronischen Fänge, die sich in ihr Innerstes bohrten. Die ganze Zeit

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