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VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)

VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)

Titel: VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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aus seiner Wohnung in die Zentrale. Eliza hatte nichts dagegen, die Zentrale zu verlassen, aus deren Winkeln ihr jeden Augenblick wieder die Erinnerungen entgegenspringen konnten. Nachdem sie beide in die Privaträume hineingegangen waren, stellte Eliza fest, dass die Beklemmung ihrer Lungen sich schlagartig besserte. Es mochte an den Pflanzen liegen, die überall üppig und ungepflegt aus Behältern und Schalen quollen; die Existenz von all der Flora machte die Luft weniger tot. Mit den gestylten Chlorophyll-Dekorationen da draußen hatten diese Blumen wenig gemeinsam. Nachdem Eliza so tief duchgeatmet hatte, dass sie ein kurzes Schwindelgefühl spürte, erkannte sie, dass Tullama da drinnen eine verkleinerte Ausgabe der Zentrale hatte installieren lassen, eine private. Alle wichtigen Anzeigen und Bildschirme waren da, und auf den meisten Konsolen standen Kakteen. Die gewölbte große Wand wurde beherrscht von einer dreidimensionalen Projektion, die sich von denen auf den kleineren Monitoren der Zentrale deutlich unterschied. Das war eine derart detaillierte Darstellung, wie sie Eliza nie gesehen hatte. Die Farben waren brillant und klar, und selbst winzige Objekte waren scharf erkennbar. Man brauchte solche aufwändigen Einrichtungen nicht, wenn man in seinem eigenen Hirn aus allen Informationen ein Bild von beliebig hoher Auflösung erzeugen lassen konnte. Für einen Zentralier war das nicht gedacht. Deswegen fühlte sich Eliza bei diesem Anblick sicher vor dem Angriff der alten schrecklichen Bilder: Tullamas Privatzentrale erinnerte wenig an die Zentrale eines Weltenkreuzers, und schon gar nicht an die der Oosterbrijk. In der hatte es weder Pflanzschalen noch exotische Bonsaibäume gegeben.
    Die riesige Bildwand zeigte den näheren Kosmos. Da leuchtete der Planet Vilm, unverkennbar wolkenverhüllt. Die grauflockige Kugel schwebte majestätisch und geheimnisvoll vor Sternenkonstellationen, die Eliza vollständig unbekannt waren. Beinahe hätte sie gedacht, durch ein riesiges Fenster direkt ins Weltall zu blicken. Farbige Symbole waren in das Bild eingeblendet, sie markierten den Standort von Satelliten, Bodenstationen, startenden und landenden Raumfahrzeugen. Am Rand wurde die Bildwand gesäumt von einem Dutzend kleinerer Projektionen. Da liefen die Buchstabenreihen der Schiffsberichte; da zeigte eine unablässig kreisende Kamera die Wolkenwände, die sich gerade über das Dritte Dorf wälzten; da sprudelten Messwerte über Skalen und Diagramme; da wurden in rascher Folge Ansichten aus allen möglichen Bereichen des Weltenkreuzers eingeblendet; da pflückten ein paar Vilmkinder unbekümmert Früchte von Gestrolchen; da liefen Echtzeitsimulationen der gravitronischen Felder im umgebenden Raum. Und so weiter. Tullama ließ Eliza erst einmal staunen. »Das war es nicht, was ich Ihnen zeigen wollte«, sagte er. »Obwohl es, zugegebenermaßen, beeindruckend ist.«
    »Das ist es«, sagte Eliza und riss ihren Blick von dem Panorama los. In dem Raum war sonst nicht viel Bemerkenswertes, abgesehen von dem überall wuchernden Grünzeug. Ein paar Türen, na klar, hier würde Tullama wohl weder schlafen noch essen. Dort mussten die eigentlichen Wohnräume liegen. Einige Konsolen standen verloren zwischen Minipalmen und allerlei grünen Ranken herum. Nur ein sehr schlichtes Schaltpult im Innern einer halbdurchsichtigen Kugel fiel sofort auf: So etwas brauchte man für abgeschirmte Gespräche mit dem Flottenkommando auf Atibon Legba. Ein Einrichtungsgegenstand allerdings passte überhaupt nicht in den Raum hinein – die lebensgroße Skulptur eines nackten Menschen, die so aufgestellt war, als würde sie unverwandt auf die Bildwand schauen. Man hatte alle Pflanzen und Bäumchen sorgsam so aufgestellt, dass ein freies Blickfeld zu der Luxus-Bildwand entstand, als würde der steinerne Mann das Geschehen verfolgen wollen. Reflexionen von den Sternen, Raumfahrzeugen und Planeten tanzten auf dem matt polierten Material des Kunstwerks.
    »Das ist kein Standbild«, sagte Tullama, »das ist nicht einmal künstlich. Zwar ist es vollkommen albern in dieser Situation, aber ich stelle Ihnen trotzdem vor: Christoff Masurat. Der Lotse.«
    Eliza starrte erst Tullama, dann die reglose Gestalt an. Natürlich hatte sie gehört, dass der Lotse der Armorica von der Steinstrahlung getroffen worden und zu Silikat erstarrt war, und sie hatte nie bezweifelt, dass Abgesandte des Flottenkommandos den Mann längst weggeschafft hatten, in ein Sanatorium,

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