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VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)

VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)

Titel: VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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»Wollen Sie von mir eine Diagnose wissen oder ...«
    Eliza unterbrach den Mann sofort. »Die Diagnose dürfte ziemlich klar sein, oder? Der Arm ist schließlich seit Jahren ab.«
    »... oder möchten Sie erst mit dem Kapitän sprechen?«
    Eliza verstummte. Mit dem Kapitän der Armorica reden? Warum sollte sie? Obwohl – so ohne Weiteres kam man nicht an den Mann heran. Sie hatte ihn erst ein einziges Mal gesehen, als er die Vilmregierung besucht hatte, die praktisch aus Tina bestand. Ein langaufgeschossener Schwarzer mit ergrauendem Haar, dessen Gesicht wirkte, als würde er allzu gern grübeln. Für Zentralier war der Schiffskapitän, den sie von Mission zu Mission vor die Nase gesetzt bekamen, seltsamerweise immer wie ein Heiliger gewesen, eine Institution, deren Worte zu bezweifeln niemandem anstand. Über dem Kapitän konnte nur ein Lotse stehen, wenn sich überhaupt etwas zwischen einem Kapitän und Gott selbst befinden konnte, und die Gegenwart eines Lotsen an Bord war extrem selten. Die Vilm van der Oosterbrijk war immer ohne Lotse und meistens ohne Kapitän geflogen, was an der häufig recht simplen Natur ihrer Aufgaben lag. Und daran, dass die Oosterbrijk nicht gerade zu den Prachtstücken des Flottenkommandos gehört hatte ...
    Der Arzt hatte seiner Patientin eine Frage gestellt, die vom Herrn des Weltenkreuzers selbst gekommen war, und er würde sich nicht rühren, erkannte Eliza, ehe er eine Antwort bekommen hatte. Sie sah Doktor Schyberg an; der wartete geduldig. »Erst der Kapitän«, sagte Eliza, »dann die Diagnose. Wie auch immer die aussehen soll.«
    Doktor Schyberg nickte und berührte mit der Linken einmal kurz die rote Linie. »Da entlang, bitte«, sagte er. Eliza wusste, dass damit ihre Antwort im Moment des Kontaktes durch das Netz gegangen war und die Zentrale oben bereits informiert war, dass sie kommen würde. Wundervolle Effizienz des Zentralen-Systems, dachte sie, warum sagt niemand diesen Leuten, dass sie sich gefährlich nahe am Status eines besseren Telefons befinden?
    Im Aufzug, der mit rasender Geschwindigkeit und ohne Zwischenhalt durchfuhr, konnte sie sich daran erinnern, dass sie selber einmal so gewesen war, so effizient, so selbstverständlich ihre Privilegien genießend, so dumm. Damals war ihr nicht aufgefallen, dass die Luft schal und dünn war; niemals hatte sie verzweifelt nach Atem ringen müssen. Der Anblick der Zentrale selbst traf Eliza wie ein Faustschlag zwischen die Augen. Die Zentrale der Armorica war größer als die der Oosterbrijk, und die Anordnung der Abteilungen war anders; der Eindruck von Macht und Kompetenz jedoch, den der Raum ausstrahlte, war derselbe. Natürlich stimmte auch der Farbton, jenes betrügerische Weiß. In Elizas Kopf spulte sich ein Film ab, ein alter, den sie nur zu gut kannte: She Tsi und Grégoire Lafayette bekämpfen einander mit Lichtblitzen, eine giftiggrüne Feuerwand reißt schreienden Leuten das Fleisch von den Knochen, Flugmaschinen verbrennen in den Blitzen des Oniskus-Mondes, eine kleine Plastiktüte mit sechseinhalb Pfund Staub. Und dazwischen und davor und danach: der kopflos umsinkende Körper, aus dessen Faust ein greller Strahl leuchtet. Eliza sah die Schatten von unvorstellbaren Ungeheuern aus den Schmutzrändern verblichenen Kunststoffs kriechen. Die Fläche zwischen den Schultern, aus deren Mitte eine unregelmäßige rote Fontäne entspringt. Genau das hatte Eliza in einer solchen Zentrale gesehen. Es war ihr in tiefe Schichten der Erinnerung eingebrannt ... und sie hatte gedacht, dieses alte Ungeheuer wäre exorziert. Falsch. Es hatte nur geschlafen, versteckt in einem unbeleuchteten Winkel. Sie schüttelte den Kopf, um diese Bilder loszuwerden; von der Seite sah Doktor Schyberg sie unsicher an, als wäre er sich nicht sicher darüber, wen er da zu seinem Kapitän brachte. Eliza schob die unliebsamen Erinnerungen beiseite, als sie sah, wie der Arzt eine rote Linie kontaktierte, wahrscheinlich um dem ganzen Netz mitzuteilen, was für merkwürdige Reaktionen die verwilderte einarmige Frau an den Tag legte. Sie zwang sich, ruhig zu atmen, ungeachtet der dumpfen Schmerzen, die sich in ihrem Brustkasten ausbreiteten.
    Als sie dem hochgewachsenen Befehlshaber gegenüberstand, war sie heilfroh, dass der – wie alle Kapitäne – nicht das Brandmal der Verkabelung in der Handfläche trug. Der Mann hatte das gewisse Etwas; obwohl er in einem Saal stand, der mit Tonnen von Hochtechnologie vollgestopft war, und fast hundert

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