VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)
sich beheben lassen. Solche Viecher konnte man mit eigens zu diesem Zweck gezüchteten Mikroben ausrotten oder, wenn man denn unbedingt ein nasses Paradies haben wollte, mit dem Import einiger genmanipulierter Katzen kurzhalten. Katzen konnten so fruchtbar sein.
Die Leute wussten gar nicht, was sie hier hatten. Ein fast unbewohnter Planet mit einer eigenartigen Stimmung, die sich in den Prospekten bestimmt gut machen würde. Was für ein herrlicher Gegensatz, verglichen mit den auf Hochglanz polierten Urlaubswelten. Mit dieser Welt ließe sich gewiss ein Haufen Geld verdienen. Kevin konnte sich die Zeilen ausmalen: Besuchen Sie den Regenplaneten! Eine einzigartige Welt aus Melancholie und unberührter Natur ... Die Gegend, in der sich abschalten lässt, Hektik und Stress von Ihnen abgleiten und entspannter Ruhe weichen ... Wo der Nebel still und friedlich über sanfte Hügel streicht und Sie dem Geheimnis ewigen Regens lauschen ... Lesen Sie den Sonderbericht von Kevin! Seinen Nachnamen hatte Kevin selbst fast vergessen – »Kevin« war ein Markenzeichen für überraschende Berichte in den von Menschen konsumierten Medien, die man ebenso irreführend wie beharrlich die irdischen Medien nannte, auch wenn Kevin natürlich selbst niemals die Erde besucht hatte oder je die Chance haben würde, das zu tun. Als die Armorica überstürzt gestartet war, hatte er eine Chance gewittert und war mitgeflogen. Nach den Strapazen auf Magub fand er, dass er ein wenig Ruhe verdient hatte. Die Suche nach den vermuteten geheimnisvollen Fremden war anstrengend gewesen und hatte eine schöne Story abgegeben. Zwar keine Außerirdischen, aber all die seltsamen Fast-Pflanzen und Beinahe-Tiere, die mit ihren elektrischen und magnetischen Ausstrahlungen so verheerend auf empfindliche Elektronik wirkten. Auf der Armorica war Kevin mit dem Lotsen Christoff Masurat bekannt geworden. So kam man, wenn man Glück hatte, ohne eigenes Zutun an wilde Geschichten. So ein Lotse erlebt was, wenn auch die meisten der Geschichten, die Kevin zu erzählen wusste, aus dritter Hand stammten. Wen interessierte das, wenn man nachweislich ein Interview mit dem Mann geführt hat. Der unerklärliche Tod Christoffs hatte einen ebenso erschütternden wie sensationellen Schlusspunkt geliefert. So was wollten die Leute. Der Bericht über Vilm, meinte Kevin, sollte da eins draufsetzen.
Man machte es ihm allerdings nicht leicht. Er spürte, dass er nur ein Ankömmling war. Immer wieder versuchte er, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, jenen Punkt zu erreichen, wo die Distanz zum Fremden vergessen würde und für ihn die Sache interessant. Einstweilen musste er sich damit begnügen, zu fotografieren und auf den Speicher zu sprechen, was er hörte und was er zu erraten glaubte. Neben der Pflanzung mit ihrem unklaren Zweck gab es diese Touren ins Gebirge, in den Trümmerhaufen der Vilm van der Oosterbrijk, aus dem Jahre nach dem Absturz immer noch etwas herausgeholt wurde. Diese Fischzüge in die tote Technik boten Ansatzpunkte für Gespräche, die Kevin zu nutzen gedachte. Wie zufällig trieb er sich auf dem Weg herum, den die Vilmer aus dem Dritten Dorf in Richtung Schrottlandschaft genommen hatten, als eine Gruppe Einheimischer zurückkehrte. »Guten Abend! Na, Glück gehabt?« Sein Tonfall klang nicht ganz echt, das merkte er gleich. Die anderen hielten nicht an.
»Wie man es nimmt«, murmelte einer, »das hat übrigens mit Glück nichts zu tun.«
»Nein?« Kevin schloss sich, ohne eine Sekunde der Überlegung, dem langsamen Schritt der Gruppe an und zockelte hinterher. Für einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, dem vor ihm Gehenden, mit dem er sprach, einen Teil der Last abzunehmen, er verwarf jedoch diese dämliche Idee. »Wieso, geht ihr denn nicht auf gut Glück ins Gebirge?«
»Nein. Wir wissen, wohin wir gehen. Und warum.«
»Woher denn?«
»Die Regierung gibt uns die Aufträge. Sie haben einen Computer, der ausrechnet, was wahrscheinlich wo hingewürfelt worden ist. Marek macht das. Er ist ziemlich gut.«
»Aha ... und ihr geht los und holt heraus, was die, äh, die Regierung gerade will.« Diese Regierung zu akzeptieren, fiel Kevin schwer, und der andere spürte das und schwieg. Wie primitiv, dachte Kevin, da leben sie praktisch von einem riesigen Schrotthaufen und haben eine Regierung, die sie auf die Suche schickt. Wonach eigentlich? Er musterte die Traglasten, konnte sich jedoch keinen Reim machen auf die gefüllten Rucksäcke und die
Weitere Kostenlose Bücher