Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)
wirkte, um ohne Aufsicht eine Waffe anfassen zu dürfen. Seine Figur ließ vermuten, dass er seine Jugend mit Liegestützen und Klimmzügen verbracht hatte.
»Den kenne ich«, sagte Sergios. »Das ist Len Robinson, der Kommandant der Raumstation. Und ihr einziges Besatzungsmitglied. Man sollte sich von seinem unschuldigen Gesicht nicht täuschen lassen. Er hat’s faustdick hinter den Ohren.«
»Ich kenne ihn auch. Habe lange mit ihm gesprochen«, sagte Will.
Der Nuntius hob eine manikürte Hand.
»Die Station ist um einige Module ergänzt worden, die von der Lampyridus mitgebracht worden sind«, teilte er sachlich mit. »Sie verfügt nun über deutlich erweiterte Ressourcen und eine Besatzung von mindestens hundertachtzig Mann.«
»Dann müssen das ja echt große Module sein«, murmelte Will.
»In der Tat«, bestätigte der Nuntius nochmals. »Tatsächlich waren die neuen Teile für die Station um einiges größer als die Barke selbst.«
Er tauschte das Porträt Len Robinsons gegen ein anderes aus.
Wills Fell sträubte sich, und er knurrte dumpf.
»Wie wir sehen, kennen Sie diese Person bereits«, meinte der Nuntius.
Sergios betrachtete verständnislos das eingeblendete Subjekt. Es war offenkundig ein Mitglied der Goldenen Bruderschaft: Die nackte und völlig haarlose Gestalt straff umhüllt von dieser Folie, die angeblich den meisten gebräuchlichen Waffen mühelos widerstehen konnte. Es kursierten die wildesten Gerüchte, was für Angriffe einzelne Goldene schon unbeschadet überstanden hatten. Wenn diesen Mann hier etwas von all den anderen Goldenen unterschied, dann seine gar nicht so fette Statur. Zwar war es schwer vorstellbar, dass eine der Goldmaden regelmäßig Hanteln stemmte, aber das Ergebnis einer solchen ungewöhnlichen Anstrengung mochte so oder ähnlich aussehen.
»Ich kenne ihn«, sagte Will. »Das ist Utur-92-mog.«
»Natürlich kennen Sie ihn. Sie haben ihn schließlich eingeladen.«
Wills Krallen kratzten unangenehm auf dem Fußboden.
»Ich soll ihn eingeladen haben?«
»Sie haben darum gebeten«, stellte der päpstliche Abgesandte fest, »jemanden zu entsenden, der Ihrem alten Bekannten Pak-46-erg bei seinem Bewusstlosigkeitsproblem helfen kann.«
Sergios sah zu, wie Wills Köpfe nickten, aber er war sehr sicher, dass ausgerechnet dieser Goldene der Letzte war, den der alte Mann sich für Paks Wiederherstellung gewünscht hatte.
Aufdringlich huschten die grellbunten Projektionen der Lampyridus durch das Büro-in-den-Wolken.
Als man die Bildwand wieder klar sehen konnte, hatte die Darstellung abermals gewechselt. Die nackte Gestalt war dem Abbild dreier Herren in grauen und offensichtlich sehr teuren Anzügen gewichen. Allen dreien war eines gemeinsam: Sie trugen ihr dunkles Haar lang und gescheitelt, so dass die eine helle Strähne darin besonders auffiel. Der Älteste von ihnen, der in der Mitte stand, hatte sogar eine schlohweiße Stirnlocke.
Sergios musste nicht lange nachdenken.
»Die Cummino-Familie«, sagte er.
Der Nuntius, von seiner Bildwand herunter, und Will, von seinem Platz am Panoramafenster aus, musterten den Zentralier aufmerksam.
»Sie sind bekannt für ihre, äh, unkonventionellen Methoden«, erklärte Thanassatrides. »Man wendet sich an sie, wenn man nicht mehr weiter weiß. Oder wenn man selbst nicht über die Grenzen der Gesetze hinausgehen möchte. Oder wenn man ein Problem aus der Welt schaffen will, aber nicht zu wissen wünscht, wie und von wem es erledigt wird. Ihre Geschäftsgrundlage ist einfach zu verstehen. Es kostet eben alles eine gewisse Summe.«
» Pecunia non olet . Das deckt sich mit meinen Informationen«, sagte der Nuntius, und Will registrierte, dass der gewohnte Pluralis Majestatis in diesem Satz keine Verwendung fand.
»Moment mal, Hochwürden«, sagte er, »soll das heißen, das Flottenkommando hat sich mit den Unterweltbossen von Atibon Legba zusammengetan? Oder den Goldenen? Oder beiden? Wie soll das zueinander passen?«
»Gar nicht«, meinte Sergios. »Das Universum funktioniert leider nicht so einfach. Zwischen Weiß und Schwarz gibt es eine Menge Grautöne. Da sind Interessengruppen am Werk. Die Cummino-Familie besteht aus mehreren mächtigen Clans, die normalerweise versuchen, einander nicht in die Quere zu kommen; manchmal misslingt ihnen das auch. Bei den Goldenen konkurrieren unzählige Investmentfonds miteinander, kaufen die Verbindlichkeiten des jeweiligen Gegners auf und immer wieder mal hört man von freundlichen und
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