Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Violas bewegtes Leben

Titel: Violas bewegtes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Trigiani
Vom Netzwerk:
auch.«
    »Und wer sind deine Vorbilder?«
    »Also, einmal meine Eltern, sie sind wirklich tolle Dokumentarfilmer. Ich liebe Albert und David Maysles. Und Constance Marks. Sie hat diesen unglaublichen Dokumentarfilm Green Chimneys gedreht. Meine Eltern sind große Fans von ihr. Und Michael Patrick King natürlich. Er wird nicht umsonst als König der romantischen Komödie bezeichnet.«
    Ich stehe auf und strecke meine Beine. Ich habe ein bisschen ein schlechtes Gewissen, weil ich versprochen hatte, die Party zu filmen, und noch keine einzige Aufnahme gemacht habe. »Hast du schon mal einen Film gemacht?«
    Jared steht ebenfalls auf. »Einen Kurzfilm. Er handelt von einer alten Dame in Milwaukee, die Zuckerwürfel verziert.«
    »Du machst Witze.«
    »Ich weiß. Es klingt ziemlich albern.«
    »So habe ich das nicht gemeint«, stelle ich richtig. Jungen können auch sensibel reagieren. Nur traut man es ihnen nicht so zu. »Ich meinte, das klingt interessant.«
    »Das war es auch. Eigentlich sollte es ein Film über Kunsthandwerkstraditionen der Alten Welt sein, aber dann wurde viel mehr daraus. Ich habe die Frau interviewt und sie bei ihrer Arbeit beobachtet. Sie dekoriert Zuckerwürfel mit winzigen Rosen, Gänseblümchen oder Buchstaben und verkauft sie.«
    »Meine Eltern sagen immer, bevor sie anfangen zu filmen, haben sie meistens einen bestimmten Film im Kopf. Doch wenn sie mit den Aufnahmen begonnen haben, diktiert der Gegenstand, um den es geht, in welche Richtung sich der Film entwickelt.«
    »Genauso war es bei mir! Ich hatte keine Ahnung, dass mein Film am Ende von der Flucht vor dem Kommunismus handeln würde. Ich dachte wirklich, es ging um das Dekorieren von Zuckerwürfeln. Hast du solche Zuckerwürfel schon mal gesehen?«
    »Ja. Meine Großmutter lädt gerne zum Nachmittagstee ein, und da serviert sie diese Würfel.« Wie lustig. Mir ist geradeaufgefallen, dass ich meine Großmutter Grand nenne und dass sie wirklich richtig grand iose Sachen macht: Tee genau nach Vorschrift zubereiten und ihn in einem silbernen Teeservice mit verzierten Zuckerwürfeln und winzigen Sandwiches servieren. Noch interessanter finde ich, dass ein Junge, den ich eben erst kennengelernt habe, mich auf diesen Zusammenhang bringt.
    »Was ich so spannend fand, war die Lebensgeschichte dieser Frau. Wie sie mit ihrem Handwerk nach dem Aufstand von 1968, als die Kommunisten die Macht ergriffen, von der Tschechoslowakei in die Vereinigten Staaten kam. Eine tschechisch-amerikanische Familie in Milwaukee schickte ihr Geld, und sie zog hierher und ernährte sich und ihre Familie, indem sie diese Zuckerwürfel herstellte und verkaufte.«
    »Ich würde den Film wirklich gerne mal sehen.«
    »Klar. Ich zeige ihn dir mal.« Jared setzt den Objektivdeckel wieder auf die Kamera, ohne hinzusehen. Ich tue es ihm nach – die automatisierte Geste eines Kameraprofis.
    »Vielleicht sollten wir besser zurückgehen.« Ich schaue zum Schulgebäude hinauf. Obwohl ich, ehrlich gesagt, lieber hierbleiben und mich den ganzen Abend mit Jared unterhalten würde. Aber das geht nicht. Trish und Mrs. Zidar würden sicher bald einen Suchtrupp losschicken.
    Ich spüre, dass das der Anfang von etwas Interessantem mit Jared Spencer ist. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich jemand in meinem Alter getroffen, der so leidenschaftlich gerne Filme macht wie ich. Die meisten meiner Freunde zu Hause in Brooklyn sind in mehreren Sachen gut, aber ich bin eigentlich nur gut, wenn es ums Filmen geht. Ich spüre, dass es bei Jared auch so ist.
    »Ich habe Hunger«, sagt er. »Und du?«
    »Und wie«, gestehe ich. Noch ein Beweis dafür, wie wohl ich mich in Gesellschaft dieses fremden Jungen fühle: Ich würde tatsächlich vor ihm essen.
    Caitlin Pullapilly sagt, sie bezweifelt, dass sie je dazu fähig wäre, bei einer Verabredung mit einem Jungen, den sie mag, etwas zu essen. Ich fand das immer albern. Menschen müssen essen, und warum sollte ein Mädchen nicht vor einem Jungen essen? Caitlin sagt, sie sei zu nervös. Bei Jared bin ich überhaupt nicht nervös, und ich kann es kaum abwarten, Caitlin zu sagen, dass sie ihre Hemmungen bestimmt verlieren wird, wenn sie einen Jungen trifft, mit dem sie viel gemeinsam hat.
    Jared folgt mir den Pfad zurück. Der Mond scheint mittlerweile noch heller, und ich wünschte, ich könnte zurückgehen und das Wasser noch einmal filmen. Wenn sich die Lichtverhältnisse so ändern, dass es meiner Kameraarbeit zugutekommt, bricht die

Weitere Kostenlose Bücher