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Violas bewegtes Leben

Titel: Violas bewegtes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Trigiani
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Side, wie Grand glaubt). Sie hat schlichte mandarinenfarbene Ledermöbel und riesige Gemälde von Pfirsichen und einer großen Artischocke an den Wänden. Sie ist keine Kunsthandwerks-Oma mit einer getöpferten Keksdose. Ich weiß nicht, ob ich ihr unser Weihnachtsfest in Indiana anvertrauen kann.
    »Ich denke, wir brauchen einen Baum«, sagt sie.
    »Das wäre heimelig«, stimmt Marisol ihr zu. Ja klar, wer unter einem selbst gebastelten Quilt schläft, steht natürlich auf so kitschiges Zeug.
    »Wir sollten die Feiertage mit einer kleinen Referenz an unsere unterschiedlichen ethnischen Ursprünge begehen«, sagt Grand. »Also, ich bin englischer und irischer Abstammung, genau wie Viola.«
    »Ich dachte, Cerise wäre französisch«, sagt Marisol.
    »Coral Cerise ist Grands Künstlername. Ihr wirklicher Name ist Carol Butler.«
    »Oh.« Marisol schaut mich verwirrt an. Ich bin an meine schauspielernde Großmutter so gewöhnt (mein Vater nennt sie hinter ihrem Rücken auch gerne Die Schwiegermutter der Selbsterfindung ), dass ich gar nicht daran gedacht habe, Marisol zu erzählen, dass Grand ihren Namen schon mehrmals geändert hat.
    Ursprünglich wurde meine Großmutter als Carol Evelyn Gray geboren. Sie heiratete meinen Großvater und wurde Carol Gray Butler. Nachdem sie von ihm geschieden war, stellte sie ihr ganzes Leben auf den Kopf, darunter ihre Wohnung, ihre Kleidung und ihren Namen, den sie von Carol zu Coral änderte (»Ich habe mich nie wie eine Carol gefühlt«, erklärte sie). Nun hieß sie Coral Gray. Und schließlich wurde daraus CoralCerise, nachdem sie bei einem Wahrsager war, der sagte, Grands größte Erfolge im amerikanischen Theater würden erst kommen, wenn sie die fünfzig überschritten habe, und auch nur dann, wenn sie ihren Namen ändere. Als sie ihren Namen in Cerise änderte, dachten alle, sie hätte wieder geheiratet (was gar nicht der Fall war). Meine Mutter sagte, der Wahrsager hätte vermutlich »Charisse« gesagt, nach der berühmten Tänzerin Cyd Charisse, aber Grand hätte es falsch verstanden und Cerise aufgeschrieben. Wie auch immer, momentan und vermutlich auch in nächster Zeit wird sie wohl Coral Cerise bleiben.
    »In New York lesen wir an Weihnachten immer ein Theaterstück vor.« Grand geht zum Erker und schaut auf das Schulgelände hinaus. »Das ist eine Familientradition bei uns. Wie wär’s, wenn wir das hier auch machen?«
    »Letztes Jahr haben wir die Weihnachtsgeschichte von Dickens gelesen«, erkläre ich Marisol. »Und davor Washington überquert den Delaware von Henry Fisk Carlton und Bertha, Königin von Norwegen von Kenneth Koch.«
    »Rate mal, wer die Königin war?« Grand lächelt.
    »Das klingt lustig. Und mit Ihnen und George als professionellen Schauspielern wird es bestimmt toll.« Marisol ist gleich Feuer und Flamme für ein Weihnachten mit Theaterflair.
    »Was für Bräuche gibt es in deiner Familie, Marisol?«
    »Na ja, wir sammeln den Herbst über braune Papiertüten, tun Kerzengläser hinein und stellen sie an dem Weg auf, der zu unserer Haustür führt. An Heiligabend werden sie dann angezündet.«
    Grand schaut leicht irritiert und sagt dann: »Hübsch.«
    »Oh, und wir gehen zur Messe«, sagt Marisol. Sie fährt jedenSonntagmorgen mit anderen Katholiken in einem Bus hinüber zum Saint Mary’s College, um dort den Gottesdienst zu besuchen. Marisol sagt, am Anfang des Schuljahres seien es ungefähr zwanzig Mädchen gewesen und vor den Weihnachtsferien noch drei, die regelmäßig gehen, die alten Damen aus dem Altenheim nicht mitgezählt, die sie unterwegs abholen.
    »Dann gehen wir alle gemeinsam zur Weihnachtsmesse«, sagt Grand.
    »Das wäre schön.«
    »George wird uns fahren. Er ist polnischer Abstammung und bestimmt katholisch – besteht dieses Land nicht zu neunzig Prozent aus Katholiken? Und ich habe Mrs. Grundman gefragt, ob wir uns das Weihnachtsessen selbst in der Küche kochen können, und sie hat eingewilligt.«
    »Puh. Glück gehabt. Pute gibt’s hier in der Schule nur als Formfleisch.«
    »Gut, dann besorgen wir einen echten Putenbraten.« Grand macht eine Liste. »Gibt es sonst noch etwas, das ihr Mädchen euch wünscht?«
    Marisol hat plötzlich Tränen in den Augen. »Ein Flugzeug, dass uns nach Hause bringt?«
    »Nein, Marisol, damit hören wir gleich wieder auf. KEINE Tränen. Ich bin die Einzige hier, die mal so richtig heulen darf – ich bin nämlich Schauspielerin und werde dafür bezahlt, dass meine Tränen fließen wie die

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