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Violett ist erst der Anfang

Violett ist erst der Anfang

Titel: Violett ist erst der Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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sich vor den Rollcontainer und riss Schublade um Schublade auf. »Hier, wusste ich’s doch.« Sie warf Jule eine eingeschweißte Zahnbürste zu, wuselte weiter zum verspiegelten Kleiderschrank, wühlte darin, zog ein Handtuch hervor, dann ein zitronengelbes Teil, und schmiss beides zu Jule aufs Bett.
    Neugierig faltete die das Shirt auseinander. »Ach du Scheiße!«
    »Was ist? Zu groß?«
    »Als Kind war ich Team Willi.« Halb belustigt, halb entsetzt betrachtete Jule den Biene Maja- Aufdruck.
    Prompt färbten sich die Bogacz-Bäckchen tiefrot. »Alles andere ist … verdammt, ich komme momentan nicht zum Waschen, okay? Halt den Rand und zieh das an. Bi-bitte.«
    »Gut.« Jule grinste. Bin ich heute Nacht eben eine flotte Biene, was soll’s, ich war schon Schlimmeres. »Badezimmer?«
    »Flur, am Ende, letzte Tür. Und Jule?«
    »Was?«
    »Hör bitte auf das, Biene-Maja-Lied zu summen.«
    »Hey, freu dich. Karel Gott. Der stammt doch wie du aus …«
    »Prag. Und das liegt in Tschechien, nicht in Polen.«
    »Äh … ja, genau.« Pfff. Alles rechts von Bayern ist ominöser Ostblock. Ohne weiteren Kommentar griff sich Jule ihre Tasche, Handtuch, Zahnbürste und Bienen-Outfit und verschwand ins Bad. Fünf Minuten? Höchstens, und keine Sekunde länger als nötig. Diese Tanja hatte offenbar ein Faible für Gratispröbchen. Shampoo und Duschgel in kleinen Flaschen wie im Hotel in jedem Winkel, und auf der Toilette schmöckerte sie die letzten vier Jahrgänge der Cosmopolitan. Und sie hatte Locken. Schwarz und lang, die Haare klebten überall. Auf der wackeligen Klobrille, den stumpfen Fliesen in Mausgrau, dem muffigen Duschvorhang, auf der fleckigen Badematte und gebündelt im Waschbecken. WG, Will-Gehen.
    Zurück in Ewas Zimmer stockte Jule kurz der Atem. Frau B. hatte sich inzwischen umgezogen und steckte in einem Shirt, das sackig bis zum nackten Knie reichte. Es war pink, verziert mit Print. »Hello Kitty?« Boah, Mieze mit Haarschleife toppt pummeligen Brummer definitiv auf der Peinlichkeitsskala, Bogacz.
    Ewa zuckte zusammen und wirkte nicht minder verstört. »Du trägst eine Brille, Jule?«
    »Nur abends. Tagsüber Kontaktlinsen.«
    »Aber warum …«
    »Kurzsichtig.«
    »Na-natürlich. Aber warum weiß ich davon nichts?«
    Jule seufzte und schüttelte ein Kissen auf. »Ach Ewa, wir wissen so vieles nicht voneinander. By the way, hätte dich niemals für einen Hello Kitty-Fan gehalten.«
    Wusch, da waren sie wieder, die roten Wangen. »Jule, wie oft denn noch? Alles andere ist in der Wäsche. Und überhaupt, dieses Shirt war mal ein albernes Geschenk, das ich von …«
    »Schon okay. Biene und Katze werden sich bestimmt vertragen.« Akut schlittern wir ohnehin in eine jugendfreie Pyjama-Party. Ich bin entspannt.
    »Wir-wir …«, stotterte Ewa. »Ich muss dir noch was gestehen.«
    »Du schnarchst?«
    »Äh, weiß nicht? Beschwert hat sich bisher niemand. Aber wir haben nur eine Decke.«
    »Bitte?« Jule schluckte.
    »Meine Gästedecke muss bei Tanja sein. Die hat offenbar Besuch, ihre Tür ist zu, da will ich nicht stören. Sorry.«
    Nervös biss Jule auf ihre Unterlippe. »Nu-Null Pro-Problem.« Fuck! Das geht jetzt aber ein bisschen flott, Fräulein.
    Nachdem sie das Licht ausgeknipst hatten, drang allein der schwache Schein von Leuchtreklame durch die Lamellen ins Zimmer. Jule deponierte ihre Brille auf dem Rollcontainer und Ewa breitete die Decke über ihnen aus. Meine Fresse, ist das Teil knapp. Und jetzt? Wie zwei umgefallene Zinnsoldaten lagen sie Schulter an Schulter auf dem Rücken. In Jules Hirn arbeitete es fieberhaft. Hallo? Regie? Irgendwelche Anweisungen? – Draufrollen und los. – Ich bin nicht Babett! – Stimmt Schweitzer, du bist spießig und verklemmt. Verdammt. Selbst das Atmen fiel ihr so schwer als klebte da kein Bienchen auf ihrer Brust, sondern Obelix mit Hinkelstein in Lebensgröße.
    »Jule, ich hätte nie gedacht, dass wir mal nebeneinanderliegen würden. Du und ich, unter einer Decke.«
    »Hast ja keine zweite.«
    »Meine Güte, natürlich! Aber Tanja hat Besuch und …«
    »Sssh. Ich finde es … okay so.«
    »Ich auch«, kam butterweich zurück und eine Hand legte sich sanft auf Jules Finger.
    Händchenhalten. Krieg ich hin. Schweigen. Jule schloss die Augen und gluckst. »Wenn unsere Fans uns so sehen könnten, ey, die würden heulen.«
    »Oh ja, bestimmt. Wir beide privat Violett.«
    »Das meine ich nicht, Ewa. Die finden uns heißer als Angelina Jolie, und wir tragen pink und

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