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Violett ist erst der Anfang

Violett ist erst der Anfang

Titel: Violett ist erst der Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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Rippen und riss sie aus ihren Gedanken. »Äh … was ist, Süße?«
    Eine knallrote Ewa starrte sie an. »Bist du blind?«
    Jule schnaubte. »Ey, Fräulein, diese mobbenden Sprüche gehen mir allmählich so was von auf die Eierstöcke.«
    »Pfefferspray.« Ewa gab ihren wohlgemeinten Hinweis halb geraunt, halb gequietscht.
    »Siehste? Der Kai-Uwe hat eines und … okay, sorry. War kein Vorwurf an dich. Bin schon still«, stellte Jule klar und verstummte. Tja. Bei genauerer Betrachtung hatte Ewa leider Recht. Das Pfefferspray in Kai-Uwes Hand war tröstlicher als eine Pistole, jedoch trotzdem beunruhigend. Noch unschöner als das geklaute Babett-Outfit, unter dem zwei behaarte O-Beine unerotisch herausragten. Würg, zum Davonlaufen. Wenn sie hätte davonlaufen dürfen. Und nun? Angriff, Schweitzer!
    »Hi«, sagte sie zuckersüß und lächelte Grübchen. »Ich bin … die Jule.«
    Die Miene von Kai-Uwe zeigte keinerlei Regung.
    »Und das ist die Ewa. Aber was rede ich, Sie kennen uns ja sicher.«
    Schweigen.
    »Fernsehen? Liebes Leben? «
    »Pfff«, kam von Ewa. »Sieht der aus wie ein Soap-Gucker?«
    »Woher soll ich das wissen, Fräulein?«, pampte Jule zurück. »Man wird ja wohl noch fragen dürfen.«
    »Schon. Aber ich wette mit dir, dass der uns nicht kennt. Werktags, achtzehn Uhr. Komm, wer sitzt da schon vor der Glotze? Abgesehen von Schülern und Arbeitslosen.«
    »Keine Ahnung.« Jule pustete sich eine Strähne aus der Stirn. »Selbstständige. Freiberufler. Menschen mit Schichtdienst. Oder … Busfahrer, Altenpfleger, Nachtwächter, Polizisten, Supermarktkassierer, Postboten, Rettungssanitäter, Stromableser …«
    »Ja ja«, lenkte Ewa ein. »Die Sendezeit ist trotzdem Schrott.«
    »Natürlich. Sagt in der Branche jeder und jammert rum. Aber am Wochenende kommt die Wiederholung. Fünf Folgen am Stück. Hirnlose Unterhaltung, perfekt, während man parallel die Wohnung wischt und aufräumt.«
    »Jule, kein normaler Mensch putzt sonntags um sechs.«
    »Nur du vermutlich, Bogacz. So früh wie du immer aufstehst, boah, ganz ehrlich? Ich finde das nicht normal.«
    »Aber ich putze nicht.«
    Jule lachte auf. »Hab ich gesehen in eurer WG.«
    »An meiner Stelle würdest du auch keinen Finger mehr rühren. Tanja ist so eine Schlampe, ehrlich. Jeden Morgen saut und krümelt die in der kompletten Küche rum mit …«
    »Putzplan? Schon mal probiert?«
    »Da hält die sich doch nicht dran. Weißt du, Jule, andauernd hängt Tanja in der Wohnung ab und schreibt an ihrer ach so wichtigen Bachelor-Arbeit und …«
    »Ich rufe die Polizei!«, brüllte sich Kai-Uwe erregt ins angeregte Gespräch, offenbar weder interessiert an Soaps noch an Tanjas akademischem Werdegang, wer wollte es ihm verübeln. Das Pfefferspray richtete er unverändert auf sie, als wäre er Kammerjäger und sie lästiges Ungeziefer. Wirklich, diese Ich-bin-ein-böser-Bube-Nummer konnte er sich langsam schenken. Nahm ihm doch keiner ab.
    »Polizei?« Jules Augen weiteten sich. »Aber warum?«
    Aus der Tasche des Morgenmantels fischte Kai-Uwe ein Handy. »Ihr Irren seid in meine Wohnung eingedrungen.«
    »Die Tür stand offen.« Jule verschränkte die Arme. »Wer zu blöd ist zum Abschließen, darf sich über gar nichts wundern. Finde ich. Außerdem haben wir nichts verbrochen. Gut, der Flohwalzer, der war Mist, aber deshalb zeigt man doch niemanden an. Das fällt unter künstlerische Freiheit.«
    »Künstler?« Kai-Uwe hielt für einen Moment inne. »Für wen haltet ihr euch?«
    »Viola und Babett«, antwortete Jule wie aus der Pistole geschossen. »Aus beruflichen Gründen. Aber privat sind wir jetzt auch Violett. Mich könnten Sie zudem von der Bühne kennen und …« Da prustete Ewa los. »Was ist, Süße?«
    »Jule, bei allem Respekt vor deinen Engagements, aber … Mensch, das ist ein Kerl! Männer stehen nicht auf Musicals. Weiß jeder.«
    »Der schon, der ist stockschwul.«
    »Ehrlich?« Ewa klang skeptisch. »Meinst du?«
    »Hundert Pro oder ich fress einen Besen. Sieh der den doch mal genau an. Der Mantel, die Pantoffeln, diese affige Frisur. Auf die Möpse hat er dir auch nicht geglotzt, ey, und wenn die Dinger nicht ziehen, dann weiß ich …«
    »Ruhe endlich!«, brüllte Kai-Uwe ungehalten, warum auch immer, und fummelte am Handy.
    Polizei? Der spinnt doch! Entschlossen machte Jule einen Schritt auf diese lächerliche Tucke zu, griff nach dem Telefon und – pfff. Welch harmloses Geräusch, wie ein Deo so sanft, doch Jule schraubte es alle

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