Virgil Flowers 03 - Bittere Suehne
Motelzimmer zurück, bedauerte Signy, die allein in ihrem, und sich, der allein in seinem Bett lag, und stellte sich vor, wie Gott sich wahrscheinlich den Bauch hielt vor Lachen. Virgil lachte selbst eine Weile, bevor er die Lampe ausschaltete und einschlief.
Er hatte gerade die Augen aufgeschlagen, gemerkt, dass das Kissen komisch roch, und spielte mit dem Gedanken aufzustehen, als Sanders anrief. »Jared Boehm ist zu Hause, mit seiner Mutter, einer Anwältin. Susan ist sich nicht sicher, ob sie mit Ihnen sprechen wollen, aber Sie können ja mal hinfahren.«
»Glauben Sie, die beiden zögern, weil Jared ein schlechtes Gewissen haben muss? Oder eher, weil seine Mutter von vornherein misstrauisch ist?«
»Ich würde auf die zweite Alternative tippen. Sie hält sich für cleverer als irgendjemanden sonst in Grand Rapids, ihr Ehemann und die Polizei eingeschlossen, und hat sofort auf stur geschaltet, als ich ihr gesagt habe, dass Sie mit ihrem Sohn reden wollen.«
»Haben Sie ihr auch verraten, warum?«
»Nein. Sie weiß nur, dass Sie mit allen sprechen, die Erica McDill kannten.«
»Haben Sie schon Little Linda gefunden?«
Kurzes Schweigen. »Nein.«
Virgil lachte, obwohl er wusste, dass das unangebracht war.
Virgil ließ sich die Adresse der Boehms, die Wegbeschreibung zu ihnen und die Adresse von Barbara Carson geben, wusch sich, holte ein schickes Stones-Shirt aus Paris, 1975, aus dem Matchsack, das sich seiner Ansicht nach für ein Gespräch mit einer Anwältin eignete, und zog es an. Dann polierte er kurz seine Stiefel und machte sich auf den Weg. Ein weiterer guter Tag zum Angeln, gerade so viel Wind, dass man nicht schwitzte. Offiziell hatte er Urlaub, und sein Boot stand bei Zoe …
Die Boehms wohnten außerhalb der Stadt am Lake Pokegama in einem baumbestandenen Viertel mit Gebäuden im Ranchstil, langen Auffahrten und Booten. Virgil lenkte seinen Truck vor das Haus der Boehms, wo er einen zerbeulten Pontiac aus den sechziger Jahren entdeckte, und klopfte an die Tür.
Sue Boehm sah mit ihren dunkelbraunen Haaren, dem dunkelbraunen Kostüm, der beigefarbenen Bluse, den flachen Schuhen und der Strumpfhose genau wie eine Anwältin aus. Spezialisiert auf Immobilienangelegenheiten, dachte Virgil, als sie fragte: »Könnte ich Ihren Ausweis sehen?«
Er zeigte ihn ihr.
»Okay«, sagte sie. »Kommen Sie rein.«
Drinnen keine Spur von Jared. Sue Boehm trat einen Schritt zurück. »Worum geht’s?«
»Ich muss mit Jared über Erica McDill reden.«
»Nur reden, oder verdächtigen Sie ihn?«
»Ich befrage eine ziemlich große Gruppe von Leuten«, antwortete Virgil. »Sollte ich ihn denn verdächtigen?«
»Natürlich nicht. Er ist ein anständiger Junge und hat die Highschool ziemlich gut abgeschlossen.«
Virgil hob beschwichtigend die Hände. »Dann sollte es kein Problem geben. Aber sagen Sie: Sind Sie Anwältin für Strafrecht?«
»Nein, ich beschäftige mich hauptsächlich mit Immobilienangelegenheiten.«
Virgil nickte. »Es interessiert mich nur deshalb, weil Sie, wenn Sie sich mit Strafrecht nicht auskennen, die Ermittlungen möglicherweise behindern, wohingegen jemand aus dem Strafrecht sofort die Routinefragen erkennen würde. Ich muss Jared als potentiellen Verdächtigen behandeln, ihm seine Rechte vorlesen und so weiter. Wenn Sie einen Anwalt für nötig halten, sollten Sie sich einen auf Strafrecht spezialisierten besorgen. Ich kann gern später wiederkommen.«
»Er muss sich nicht wegen eines Verbrechens rechtfertigen, sondern dagegen verteidigen, dass ihm jemand eines anzuhängen versucht.«
Virgil schüttelte den Kopf. »Das versuchen wir wirklich nicht, Mrs Boehm. Ein auf Strafrecht spezialisierter Anwalt würde das vermutlich wissen. Vielleicht sollten Sie tatsächlich jemanden zu Rate ziehen.«
Sie sah ihn kurz an, bevor sie sagte: »Hier rein.«
Jared Boehm war ein groß gewachsener, schlanker Junge – junger Mann – mit modisch gegeltem Haarkamm, der ihn ein wenig überrascht und spöttisch wirken ließ. Er saß in Jeans und T-Shirt auf dem Wohnzimmersofa. Auf dem Shirt stand: »Zärtliche, unbeholfene Avancen erwünscht, Krieg nicht.« Er wirkte nervös. Im Garten hinter ihm stand ein Hobie Cat auf dem Rasen, und an einem Holzdock lag ein kleines Motorboot.
»Das ist Officer Flowers«, stellte seine Mutter ihm Virgil vor.
Virgil reichte ihm die Hand und setzte sich. »Das T-Shirt gefällt mir.«
Jared Boehm nickte. »Wollen Sie tauschen?«
»Ich bleib lieber
Weitere Kostenlose Bücher