Virgil Flowers 03 - Bittere Suehne
wie ein Heiliger von Caravaggio.
Virgil rief ihm zu: »Na, wie geht’s?«
Schweigend beobachtete der Deuce, eine Hand in einer Tasche seines khakifarbenen Overalls, wie Virgil sich ihm näherte. Virgil dachte an die Pistole unter dem Vordersitz seines Trucks. »Ist dein Dad da?«
»Betreten verboten«, antwortete der Deuce.
»Ich will deinem Dad sein Gewehr zurückbringen«, erklärte Virgil.
Der Deuce war zwei bis drei Zentimeter größer als Virgil, hatte traurige, tiefliegende dunkle Augen unter dichten Augenbrauen und zotteliges dunkles Haar. Er war schlank, schon fast unterernährt, hatte schwielige, wettergegerbte Hände sowie einen kurzen Bart und trug einen Hut in genau der gleichen Farbe wie die Hundescheiße, die jemand aus dem Zwinger geschaufelt hatte.
»Das können Sie dalassen«, brummte er.
»Geht nicht. Dein Dad muss die Empfangsbestätigung unterschreiben.« Virgil wandte sich den Zwingern zu und fragte: »Wie viele Hunde habt ihr?«
»Ein paar«, antwortete der Deuce und lächelte. »Wenn wir sie dazu bringen, öfter zu bumsen, werden’s noch mehr.«
»Wär gut fürs Geschäft«, sagte Virgil.
»Die Hündinnen wollen’s die ganze Zeit, wenn sie läufig sind«, erklärte der Deuce und spuckte aus.
»Weißt du, wann dein Dad nach Hause kommt?«
»Nein.«
»Ich bin von der Polizei und ermittle in dem Mordfall am Stone Lake.«
»Wendy …« Die Gedanken des Deuce schweiften kurz ab. »Sie hat mir davon erzählt.«
»Ja? Du kennst dich oben am Stone Lake aus?«
»Der Deuce kennt sich hier überall aus.« Er ließ die Tüte mit dem Hundefutter fallen, drehte sich langsam um, als wollte er Witterung aufnehmen, blickte nach Norden, dann nach Nordosten und nickte mit dem Kinn in diese Richtung. »Da. Ich könnte nach dem Frühstück losgehen und, wenn ich mich beeile, zum Mittagessen zurück sein.«
»Hast du das schon mal gemacht?«
»Da war ich ein paar Mal, aber das ist kein guter Fleck«, antwortete der Deuce. »Die Pfade führen nicht da rein.«
»Die Pfade?«
»Die Indianerpfade. Denen folge ich. Der See liegt dazwischen, schneidet die Pfade ab …« Erneut blickte er nach Norden und machte eine Geste. »Sie führen in diese Richtung, aber nicht geradeaus, sondern um den See herum.«
»Wenn ich jemanden bräuchte, der mich führt, könntest du das, oder?«
»Könnte ich, würde ich aber wahrscheinlich nicht«, antwortete der Deuce.
»Ach. Du magst die Polizei nicht?«
»Nicht besonders.«
Im Gespräch mit Slibe junior begriff Virgil, was die Leute meinten, wenn sie sagten, er habe nicht alle Tassen im Schrank. Er dachte zu lange über seine Worte nach, obwohl sie, wenn sie endlich heraus waren, ganz vernünftig klangen. Falsch war lediglich die Betonung seiner Sätze. Und er sah einen merkwürdig von der Seite an, nicht scheu, sondern als wollte er eine ungesunde Neugierde, Leidenschaft oder Furcht verbergen.
Virgil, der schon öfter mit Leuten wie ihm zu tun gehabt hatte, wusste, dass ein guter Staatsanwalt es schaffen würde, ihn lebenslang hinter Gitter zu bringen, wenn Virgil Slibe junior auch nur beschuldigte, ein Schinkensandwich gestohlen zu haben.
Der Deuce roch nach Schuld.
Virgil hätte gern weiter Fragen über den Stone Lake gestellt, doch einen Moment später lenkte Slibe Ashbach seinen Pick-up in die Auffahrt, blieb etwa fünf Meter vom Hundezwinger entfernt stehen und stieg aus.
»Nettes Gespräch«, sagte Virgil zu Slibe junior und ging zu seinem Vater. »Ich hab Ihr Gewehr zurückgebracht.«
Slibe nahm die Gewehrhülle und sah Virgil ein wenig zu lange an. »Alles in Ordnung damit?«
»Das ist nicht die Waffe, mit der Erica McDill ermordet und Jan Washington angeschossen wurde«, sagte Virgil.
Slibe wandte den Kopf in Richtung seines Sohnes. »Es war bei beiden dieselbe Waffe?«
»Vermuten wir nach den Untersuchungsergebnissen des Labors.«
»Ich hab Ihnen doch gesagt, dass ich es nicht war.« Slibe blickte wieder zu seinem Sohn hinüber. »Und was haben Sie aus dem Trottel rausgequetscht?«
Der Deuce wich zum Hundezwinger zurück und verschwand.
»Wir haben uns über Indianerpfade unterhalten«, sagte Virgil.
»Hm. Ja, damit kennt er sich aus.« Slibe wog die Waffe in der Hand. »Sind Sie jetzt mit uns fertig?«
»Noch nicht ganz«, antwortete Virgil lächelnd. »Ich will mir heute Abend mit einem Bekannten Wendy anhören. Er ist ein großes Tier in der Welt der Country-Music und möchte sie persönlich erleben.«
»Nun denn …« Slibe
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