Virgil Flowers 03 - Bittere Suehne
widersprechen, hob er die Hand. »Lassen Sie mich ausreden. Wir haben zwei Morde, die mit der Band in Verbindung stehen, dazu einen Angriff mit derselben Schusswaffe, mit der Erica McDill getötet wurde. Sie haben kein richtiges Alibi. Und die Spuren zum Hinterhalt des Schützen stammen von einer Frau …«
»Ich war’s nicht«, stöhnte sie.
»Wir können trotzdem eine Anklage zimmern. Jetzt geht’s um die Gemütslage. Wenn Sie meinen, Sie waren … aus der Fassung, lässt sich darauf eine ordentliche Verteidigung aufbauen. Und wenn Sie emotional labil waren wegen Ericas Affäre mit Wendy …«
»Davon wusste ich nichts«, sagte sie.
»Wir haben die Spuren«, beharrte Virgil.
»Die sind nicht von mir. «
»Alle anderen haben ein Alibi. Sie müssen selbst zugeben: Die Morde haben beide einen Bezug zur Band.«
»Ericas Lebensgefährtin in den Twin Cities …«
»Hat ein niet- und nagelfestes Alibi«, sagte Virgil. »Ich weiß nicht, wie vertraut Ihnen das juristische Prozedere ist. Wenn Sie kooperieren, können Sie vor Gericht Nachsicht erwarten. Sie haben keine Vorstrafen …«
»Aber ich war’s nicht. «
»Nun …« Virgil zuckte die Achseln. »Unserer Ansicht nach stecken Sie in der Sache drin. Sie behaupten, Sie wären es nicht gewesen, aber wer war es dann?«
»Mein Gott, ich dachte, Sie kriegen ihn allein. Wendy bringt mich um.«
»Wenn Sie etwas wissen, sollten Sie es lieber sagen. Der Täter scheint alle zum Schweigen zu bringen, die etwas ahnen«, erklärte Virgil.
Sie hob den Blick. »Wirklich?«
»Niemand kann sich mehr sicher fühlen. Der Täter ist labil. Er – oder sie – braucht Hilfe. Wenn Sie es getan haben, stehen wir Ihnen bei.«
»Ich war’s nicht …« Sie wandte sich ab. Nach einer Weile sagte sie: »Ich weiß echt nichts, aber Sie sollten den Deuce genauer unter die Lupe nehmen.«
»Den Deuce? Nicht Slibe?«
»Slibe … keine Ahnung. Vom Deuce weiß ich immerhin, dass er seit jeher auf Wendy steht. Wenn Sie Wendy unter vier Augen fragen, wird sie Ihnen das bestätigen. Der Deuce würde nicht wollen, dass sie weggeht. Niemals. «
»Ist der Deuce sexuell aktiv?«
»Ja, klar, die ganze Zeit. Er holt sich selber einen runter.«
»Ich meine, hat er eine Freundin?«
»Meines Wissens ist er noch Jungfrau. Wenn nicht, hat er für seine Entjungferung bezahlt. Er ist … anders. Beobachtet einen immerzu. Tut ganz unbeteiligt, aber man merkt, dass er einen nicht aus den Augen lässt.«
»Vielleicht interessiert er sich für Sie und nicht für Wendy«, mutmaßte Virgil.
»Ich glaube eher, er interessiert sich grundsätzlich für Sex. Mein Gott, er ist siebzehn, er wünscht sich nichts sehnlicher. Und Wendy ist der Nabel seiner Welt.«
»Hm.«
»Was soll das heißen?«, fragte sie.
»Wendy scheint für ziemlich viele der Nabel der Welt zu sein.«
»Ja, auch für sich selber«, bestätigte Berni.
Virgil schwieg kurz. »Nun, ich gestehe, dass wir uns bisher nicht mit dem Deuce beschäftigt haben. Keine Ahnung, ob er ein Alibi hat. Aber Sie müssen zugeben, dass es gute Gründe gibt, Sie zu verdächtigen.«
Er provozierte sie weiter und befragte sie über Wendy, Slibe und den Deuce, damit sie mit Wendy sprach, die wiederum mit allen reden würde …
Dann würde der Mörder davon hören und sich vielleicht aus der Reserve locken lassen.
Er verabschiedete sich um fünf Uhr von ihr und wies sie an, in der Gegend zu bleiben.
Im Motel gönnte er sich ein Schläfchen, duschte, rasierte sich noch einmal, zog ein frisches T-Shirt und eine frische Jeans sowie eine Sportjacke an. Es fiel ihm schwer, sich zwischen seinen beiden Neuerwerbungen zu entscheiden, einem T-Shirt von Blood Red Shoes und einem von Appleseed Cast. Am Ende wählte er das Appleseed, weil die Blood Red Shoes unter den gegebenen Umständen auf schlechten Geschmack hingewiesen hätten.
Sig wartete bereits auf ihn. Sie kam ihm in einem Baumwollkleid entgegen, küsste ihn und ließ ihre Finger unter seinen Gürtel gleiten.
»Wo gehen wir hin?«
»Ins Duck Inn. Das ist so cool, dass auf jedem Tisch abgepackte Sesam-Cracker liegen.«
Virgil musste lachen. »Das kann ich mir nicht entgehen lassen.«
Sig entpuppte sich als ziemlich gute Gesellschafterin, jetzt, da er sich tatsächlich einmal mit ihr unterhielt. Sie kannte fast alle im Ort und ihre Eigenheiten und erzählte ihm, wie Zoe mit einer Freundin von ihr experimentiert hatte. »Ich war überhaupt nicht schockiert. Wenn jemand nicht die Neigung hat,
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