Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
»Tom Parker – ich habe Sie im Fall Larson ins Kreuzverhör genommen.« Er lächelte freundlich.
Nun erinnerte sich Virgil an ihn. Guter Anwalt, dachte er, leider von der Gegenseite.
»Schön, Sie wiederzusehen.«
Sie gaben einander die Hand.
»Das ist meine Assistentin Laurie«, stellte Parker seine Begleiterin vor. »Ich wette, Sie sind nicht nur zum Plaudern hier. Man munkelt, dass Jimmy Crocker ermordet wurde. Stimmt das?«
»Über Details darf ich Ihnen nichts verraten. Aber es stimmt, ja. Ich komme gerade von seinem Haus. Lee Coakley ist bei seinen Eltern.«
»Lieber sie als ich«, sagte Parker.
»Wissen Sie, wer es war?«, fragte Laurie.
»Noch keine Ahnung.«
»Informieren Sie mich, sobald Sie’s rausfinden«, bat Parker. »Dann bin ich sofort mit meiner Visitenkarte zur Stelle.«
»Oje. Letztes Mal ist das schlecht für mich ausgegangen«, entgegnete Virgil.
Parker und seine Assistentin wollten mehr Fakten, aber Virgil teilte ihnen lediglich mit, dass es auf den ersten Blick aussehe wie Selbstmord mit einer Handfeuerwaffe, er es jedoch für einen Mord halte. Sonst wisse er nichts.
»Drei Morde; ich schätze, da besteht ein Zusammenhang«, erklärte er. Er war sich bewusst, dass alle im Café lauschten. »Wenn Sie irgendwelche Ideen haben, höre ich sie mir gern an. Im Moment habe ich nämlich keine eigenen.«
»Ich rufe Sie an«, versprach Parker.
»Sogar vier Morde«, meldete sich Laurie zu Wort.
»Vier?«, wiederholte Virgil.
»Vor etwa einem Jahr wurde ein Mädchen ermordet, nicht in Warren County, sondern jenseits der Grenze in Iowa, nördlich von Estherville. Kam von einer Farm in der Nähe von Blakely.«
»Stimmt«, bestätigte Parker. »Kelly …«
»Baker«, fügte Laurie hinzu.
Virgil schnippte mit den Fingern. »Ich erinnere mich. Man hat sie auf einem Friedhof gefunden, stimmt’s? Den Fall haben die Kollegen in Iowa von Des Moines aus bearbeitet. Ist sie hier in Homestead zur Schule gegangen?«
»Möglich, aber ihre Eltern wohnen draußen im Gebiet der Northwest High … Nun ja, manche Kinder wechseln an die Schule des Ortes, in dem ihre Eltern arbeiten. Ich weiß also nicht, wo sie war«, antwortete Laurie.
»Hat sie die Schule abgeschlossen oder gearbeitet?«, fragte Virgil.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Laurie.
Ein Mann zwei Tische weiter räusperte sich. »Sie wurde zu Hause unterrichtet und hatte einen Ferienjob in Homestead, bei der Dairy Queen. Meine Tochter kannte sie.«
»Wissen Sie, wie alt sie war?«, erkundigte sich Virgil und drehte sich in seiner Nische um.
»Ungefähr so alt wie meine Tochter, sechzehn, siebzehn.«
»Hm«, brummte Virgil. »Noch ein Rätsel. Ob sich das mit einer zweiten Portion Pommes lösen lässt?«
VIER
Virgil verließ das Café zufrieden darüber, dass er etwas erfahren hatte, das den Fall komplexer gestaltete. Je mehr Richtungen, aus denen man sich dem Problem nähern konnte, desto besser. Er fuhr zum Sheriffbüro, wo er sich mit John Kraus traf, einem großgewachsenen, beleibten Kahlkopf in Uniform, der aussah wie ein Koch oder Kaufhausweihnachtsmann.
»Die Akten liegen für Sie bereit«, informierte ihn Kraus. »Sie sind als Datensatz erfasst. Ich habe Ihnen alles ausgedruckt, weil es sich so leichter durchgehen lässt.«
»Prima, genau so, wie ich’s mag«, sagte Virgil.
»Ich lasse Sie jetzt allein. Kaffee gibt’s im Flur auf der rechten Seite. Und das Klo ist um die Ecke.«
Als Erstes rief Virgil Bell Wood im Kriminalamt von Iowa an. »Sagen Sie ihm, sein großes Vorbild aus Minnesota möchte ihn sprechen«, bat Virgil die Frau, die sich am anderen Ende der Leitung meldete.
»Der verdammte Flowers«, stöhnte Wood kurze Zeit später. »Erst vor ein paar Minuten hab ich zu Janice gesagt, dass es zu gut läuft, dass bestimmt was im Busch ist.«
»Es gibt tatsächlich Probleme«, erklärte Virgil.
»Oje«, sagte Wood, die Nummer zwei der Abteilung Schwerverbrechen. »Raus mit der Sprache.«
»Hast du von dem Mord an Kelly Baker, einem Mädchen aus Minnesota, gehört?«, fragte Virgil. »Unten in Estherville, vor ungefähr einem Jahr?«
»Von mir aus gesehen ›oben in Estherville‹«, korrigierte ihn Wood. »Ja. Hässliche Sache, Virgil. War am elften Oktober, also vor vierzehn Monaten. Unser Sexhäschen. Wir haben absolut nichts in der Hand.«
»Doch, das Sexhäschen«, widersprach Virgil.
»Stimmt. Bist du in deinem Büro? Dann mail ich dir die Informationen.«
»Nein, in Homestead …« Virgil
Weitere Kostenlose Bücher