Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
erkundigte sich Wood.
»Halb«, antwortete Virgil. »Ich hab die Akte durchgesehen. Mich würde interessieren, was ihr von der Sache mit der Prostitution haltet. Eure Leute haben eine Menge Fragen gestellt …«
»Ich hol mal einen von ihnen.«
Eine Minute später meldete er sich wieder, und ein zweiter Telefonhörer wurde aufgenommen.
»Mitch Ingle ist am anderen Telefon; er weiß am besten über den Fall Bescheid«, erklärte Wood.
»Ich habe den ganzen Bericht hier«, sagte Virgil. »Was meinen Sie: Hat sie sich prostituiert?«
»Wenn man sich den Fall anschaut, könnte man auf die Idee kommen«, antwortete Ingle. »Aber ich glaube es nicht. In einer Gemeinde dieser Größe hätte sich so was rumgesprochen. Ich denke eher, dass sie von ein paar älteren Männern aufgegriffen wurde, die sie aufs Nuttendasein vorbereiten wollten und sie umgebracht haben, bevor sie damit fertig waren. Das würde auch erklären, warum wir kein Geld, keine Kondome oder andere Verhütungsmittel bei ihr gefunden haben, keine Nuttensachen eben.«
»Estherville kann nicht so groß sein …«
»Wir haben jeden männlichen Single, jede Wohnung und jeden anderen Ort überprüft, den sie für den Sex genutzt haben könnte. Sie muss das, was sie gemacht hat, nicht unbedingt in Estherville getrieben haben. Sie könnte von anderswo hergebracht worden sein.«
»Ihr Auto wurde dort gefunden.«
»Ja, aber wir wissen nicht, wer es hingefahren hat. Das hat niemand gesehen. Es stand in der Nähe von einem Gemischtwarenladen und einer Münzwäscherei, da waren ständig Leute unterwegs. Vielleicht hat sie den Wagen dort abgestellt, vielleicht auch nicht. Wir gehen davon aus, dass sie nicht entführt wurde, sondern mehr oder minder freiwillig mit den Typen mitgegangen ist, sich jedenfalls nicht gewehrt hat. Sie ist mit dem Auto von zu Hause weg und hat sich mit ihnen getroffen. Den Striemen an ihren Brüsten und Beinen nach zu urteilen, hatte sie schon früher mit ihnen zu tun gehabt.«
»Wissen Sie, ob die Namen Jacob Flood, Bob Tripp oder Jim Crocker irgendwo in dem Bericht auftauchen?«
Nach kurzem Schweigen antwortete Wood: »Die kommen mir nicht bekannt vor.«
»Mir auch nicht«, pflichtete Ingle ihm bei. »Kann ich aber mit dem Computer recherchieren.«
»Das wäre toll«, stellte Virgil fest.
Nachdem sie die Telefonnummern ausgetauscht hatten, sagte Ingle: »Melden Sie sich, wenn Sie Hilfe brauchen sollten in Iowa …«
»Ich weiß noch nicht, wie die Sache sich entwickeln wird. Trotzdem danke fürs Angebot.«
Virgil war wieder mit dem Bericht beschäftigt, als er Schritte auf dem Flur hörte. Kurz darauf streckte Lee Coakley den Kopf zur Tür herein.
»Sie haben die Akte. John sagt, Sie nehmen den Fall Kelly Baker dazu.«
»Bis jetzt habe ich keine direkte Verbindung gefunden, aber ich halte es nicht für einen Zufall.«
Sie trat ein, setzte sich an den Tisch und beugte sich zu ihm vor. »Ist es auch nicht, Virgil. Ich habe Ihnen gesagt, dass Crocker einer speziellen Glaubensgemeinschaft angehört, erinnern Sie sich? Flood war auch drin – und Kelly Baker.«
»Aha. Und Tripp? Ist seine Familie …?«, fragte Virgil.
»Nein. Lutheraner. Trotzdem muss eine Verbindung bestehen.«
»Schätze, Sie haben sich die gleiche Geschichte zusammengereimt wie ich.«
»Crocker und Flood kriegen spitz, dass Kelly Baker verfügbar ist, vielleicht aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu der Glaubensgemeinschaft. Sie beginnen eine komplexe sexuelle Beziehung, Crocker, Flood, Kelly Baker und eine zweite Frau. Kelly macht freiwillig mit. Möglicherweise haben Bobby und Kelly insgeheim was miteinander. Sie erzählt ihm, was Flood mit ihr anstellt, und er bringt Flood um. Wir nehmen ihn fest. Crocker geht auf, dass Bobby von ihrem Sexring erzählen könnte. Er schleicht sich in Bobbys Zelle und ermordet ihn im Schlaf.«
»Und die andere Frau?«, hakte Virgil nach.
»Die Frau, die Crocker oral befriedigt und dabei umgebracht hat.«
»Meinen Sie?«
»Ja. Ich halte es für plausibel.« Ihre verschiedenfarbigen Augen verengten sich. »Der Schwanz hängt ihm aus der Hose, er liegt mit gespreizten Beinen auf der Couch, einen Fuß auf dem Boden, und ihm wird von unten durchs Kinn geschossen. Wenn es Mord war, und das glaube ich, hat er jemanden so nahe an sich rangelassen, dass der ihm die Waffe unters Kinn halten konnte. Er war nämlich gerade auf was anderes konzentriert.«
»Und was für ein Motiv sollte diese Frau gehabt haben?«
»Sie wusste
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