Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
informierte Wood über die drei Morde.
»Ich hab gehört, dass der Junge sich im Gefängnis erhängt hat. Davon, dass es wahrscheinlich Mord war, wusste ich nichts.«
»Hab ich erst heute Morgen rausgefunden«, sagte Virgil. »Schick mir den Bericht über den Baker-Fall.«
»Wird gemacht. Per E-Mail?«
»Keine Ahnung, ob das hier geht«, antwortete Virgil. »Warte mal. Ich hol jemanden.«
Kraus erklärte Wood, dass er die technischen Möglichkeiten besitze, eine farbige PDF-Datei zu empfangen und auszudrucken, nannte Wood die E-Mail-Adresse und gab Virgil den Hörer zurück.
»Schon abgeschickt«, sagte Wood. »Eine ziemlich große Datei, dreihundert Seiten, farbig. Moment, ich werfe rasch einen Blick auf den Bildschirm. Wahrscheinlich willst du das ganze Ding lesen, aber ich würde dir raten, erst mal die Seite vierunddreißig herzuholen. Da beginnt der Obduktionsbericht.«
»Große Sache?«, fragte Virgil.
»Ja, die große Sache. Virgil, wenn du die Schuldigen fasst, kriegst du einen Orden.«
»Einen Rang hatte ich schon«, bemerkte Virgil, der als Captain aus dem Militär ausgeschieden war. »Du sagst ›die Schuldigen‹, im Plural …«
»Lies den Bericht.«
»Hast du DNS von den Typen?«
»Lies den Bericht«, wiederholte Wood. »Und halt mich auf dem Laufenden.«
Virgil beschloss, sich in der Reihenfolge über die Morde zu informieren, in der sie passiert waren. Er holte sich einen Kaffee und wartete auf den Ausdruck.
Der Obduktionsbericht war insgesamt fünfzehn Seiten lang. Als die letzte davon aus dem Laserdrucker kam, sagte Virgil zu Kraus: »Melden Sie sich, wenn alles raus ist. Ich fang schon mal mit dem Teil hier an.«
Die ersten Seiten des Berichts legten die Gründe für die Beteiligung des Kriminalamts von Iowa dar: Es war von den Behörden in Emmet County hinzugezogen worden, nachdem man die nackte Leiche von Kelly Baker auf dem lutherischen Friedhof nördlich von Estherville halb hinter einem Grabstein verborgen gefunden hatte. Eine ältere Frau hatte sie zufällig entdeckt, als sie die letzten Wildblumen des Jahres auf das Grab ihres Mannes legen wollte.
Das Sheriffbüro von Emmet County war von dem in Warren County informiert worden, dass ein gewisser Leonard Baker aus Blakely, Minnesota, seine Tochter am Abend zuvor, nach deren nachmittäglichem Besuch bei Tante, Onkel und Cousins auf einer Farm in der Nähe von Estherville, als vermisst gemeldet habe.
Die Beschreibung hatte gepasst, und später hatten die Eltern die siebzehnjährige Kelly Baker identifiziert. Der Wagen ihrer Mutter, ein Toyota Corolla von 2004, war mitten in Estherville gefunden worden. Zeugen hatten behauptet, er habe dort über Nacht gestanden. Die Ermittler waren nach der Überprüfung der Uhrzeiten zu dem Schluss gekommen, dass Kelly Baker ihn, nachdem sie die Farm ihrer Tante und ihres Onkels verlassen hatte, dort abgestellt haben musste.
Deshalb war der Mord in die Zuständigkeit von Iowa gefallen, was erklärte, warum Virgil nicht mehr darüber gehört hatte.
Wood hatte recht: Der Obduktionsbericht war eine spannende Lektüre. Die Autopsie war in Des Moines durchgeführt worden, und der Pathologe schrieb, Kelly Baker sei erwürgt, ihre Luftröhre von einer Art Metall- oder Lederband mit scharfer Kante eingedrückt worden. Jemand habe es an einem Strick oder einer Kette nach hinten gezogen wie ein Hundehalsband.
Die genaue Todeszeit hatte nicht festgestellt werden können, weil die nächtlichen Temperaturen unter null gesunken waren und die Leiche stark ausgekühlt war. Der Mageninhalt war vollständig verdaut gewesen; ihr Onkel hatte ausgesagt, das Letzte, was sie zu sich genommen habe, sei gegen zwei Uhr nachmittags ein Eisbecher gewesen. Sie habe sich kurz vor dem Abendessen verabschiedet.
Auf Kelly Bakers Po und Brüsten hatten sich Striemen abgezeichnet, als wäre sie mit einem schmalen Lederriemen, einem Rohrstock oder einer Gerte geschlagen worden. An ihren Handgelenken hatten sich Abdrücke wie von Metallhandschellen befunden. Laut Aussage des Pathologen hatte sie Sex gehabt, oral, vaginal und anal, ziemlich sicher mit mehr als einem Mann, den blauen Flecken um Anus und Vagina nach zu urteilen, vielleicht sogar mit vieren oder fünfen. Es gab Hinweise auf eine gleichzeitige anale und vaginale Penetration.
Verblasste Streifen auf Po und Brüsten deuteten darauf hin, dass sie schon früher mit einer Peitsche oder etwas Ähnlichem traktiert worden war.
Es gab keine Anzeichen für Gegenwehr,
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