Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
Kinder zu Hause unterrichtet werden.«
»Könnte mich ein Mann von der Highway Patrol oder ein Polizist aus Estherville begleiten? Jemand aus Iowa?«
»Ich kümmere mich darum und melde mich wieder, bevor Sie dort sind«, versprach Wood.
»Danke.«
»Virgil, kommen Sie voran?«
»Ich denke schon. Aber ich sehe noch nicht klar. Ich halte Sie auf dem Laufenden.«
Der Mann von der Highway Patrol hieß Bill Clinton, »aber nicht der Bill Clinton«, erklärte er, als er Virgil in einem Café gegenüber dem Gerichtsgebäude von Emmet County die Hand schüttelte. Er war ein stämmiger Mann Mitte dreißig mit kahlgeschorenem Schädel; in seinem Nacken befanden sich drei Fettröllchen.
»Hoffentlich sind Sie trotzdem Demokrat«, sagte Virgil, der einen Kaffee bestellte, während Clinton fertig aß.
Clinton schüttelte den Kopf. »Seit jeher Republikaner. Mein Vater ist der Vorsitzende der Republikaner von Sac County. Fand ich immer gut. Ich war früher beim Militär.«
Virgil gab ihm eine kurze Zusammenfassung der bisherigen Ermittlungsergebnisse.
Clinton stieß einen Pfiff aus. »Mann, das ist ja ein Ding.«
»Haben Sie seit letztem Jahr etwas Neues über Kelly Baker erfahren?«
»Viel, aber alles Schwachsinn«, antwortete Clinton. »Ein Kollege aus Des Moines hat sich auf eigene Faust über Satanisten umgehört und eine fundamentalistische Sekte aufgeschreckt. Am Ende ist nichts dabei rausgekommen.«
»Kann ich mir denken«, sagte Virgil. »Ich kenne ein paar Satanisten. Die sind genauso, wie man sie sich vorstellt – Leute, die Halloween nicht richtig verdaut haben.«
Clinton nickte. »Die Leute bei uns besitzen gesunden Menschenverstand. Niemand konnte fassen, was mit Kelly passiert ist. Die Ermittlungen wurden von Staatsbeamten geführt, doch faktisch war der Sheriff von Emmet County verantwortlich und hat sämtliche Berichte erhalten. Als der Obduktionsbericht raus war, hat sich das in Windeseile rumgesprochen: Peitschen und mehrere Sexualpartner. Die Leute hier gehen ins Internet wie jeder andere auch, aber sie können nicht glauben, dass solche Dinge bei uns geschehen. Nicht mit kleinen Farmmädchen.«
Virgil hatte sich von den Bakers den Weg zu ihnen erklären lassen. Clinton begleitete Virgil in dessen Truck zu ihrem niedrigen, fahlgelben Haus mit einer Mini-Windmühle im Garten und einer angebauten Garage. Dahinter standen Farmschuppen sowie ein dachloses Ziegelsilo aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert; wieder dahinter befand sich eine Sammlung verrosteter Farmgeräte.
In der Auffahrt fragte Virgil: »Wissen Sie irgendwas über diese Leute?«
»Nein. Nach dem Anruf von Bell Wood bin ich das Kriminalregister durchgegangen. Absolut unauffällig. Nicht mal ein Strafzettel.«
John Baker war Kelly Bakers Onkel, ein großer, schlanker Mann mit hohlen Wangen, langen, strähnigen schwarzen Haaren und grau durchsetztem Bart. Er trug eine übergroße Brille mit Metallgestell, eine dunkle Hose und ein dunkles Wollhemd. Seine Frau sah ähnlich aus; ihr fehlte lediglich der Bart. Außerdem hatte sie eine kleinere Brille und einen knöchellangen Rock, der selbstgenäht wirkte.
Im vorderen Raum hing ein Quilt aus briefmarkengroßen Stoffstücken an der Wand. Virgil mochte Quilts, und dieser hier war richtig gut. Als sie sich setzten, betrachtete er ihn genauer und entdeckte darin eine Frühlingslandschaft.
Im Haus roch es nach Gemüsesuppe und Kräutern.
»Toller Quilt«, sagte Virgil zu Luanne Baker.
Sie nickte. »Den hat meine Mutter gemacht.«
Virgil merkte, dass die Frau nervös war, und lächelte. »Stellen Sie selbst auch Quilts her?«
»Ja.«
»Sind Sie wegen Kelly hier?«, meldete sich John Baker zu Wort.
»Ja.« Virgil neigte den Kopf leicht zur Seite. »Sie haben Kinder?«
»Die sind drüben bei den Nachbarn«, antwortete John Baker. »Wir haben sie rübergeschickt. Sie haben Angst genug.«
»Okay. Wahrscheinlich haben Sie gehört, was oben im Norden passiert ist …«
»Ein Mörder treibt sein Unwesen«, sagte John Baker.
»Ja. Wir glauben, dass der Killer etwas über den Mord an Kelly weiß, und versuchen, eine Verbindung zwischen den Fällen herzustellen. Kelly und zwei weitere Mordopfer, Jim Crocker und Jacob Flood, gehörten Ihrer Glaubensgemeinschaft an. Das muss nichts bedeuten; in der Gegend gibt es ziemlich viele Mitglieder dieser Kirche …«
»Wir sind nicht sonderlich beliebt. Es heißt, wir wären distanziert«, erklärte Luanne Baker. »Kelly hat unterwegs
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