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Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat

Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat

Titel: Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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noch: Bin ich eine totale Versagerin? Die wichtigste Beziehung meines Lebens war jedenfalls ein kompletter Reinfall …«
    »Sie haben immerhin drei Kinder. Ist das vielleicht ein Reinfall?«
    »Ich weiß, dass ich nicht sonderlich attraktiv bin …«
    »Sie sind sogar sehr attraktiv«, widersprach Virgil. »Herrgott, Lee, nun hören Sie auf mit dem Selbstmitleid.«
    »Mir sagt aber nie jemand, dass ich attraktiv bin – vielleicht lügen Sie ja. Jemand mit drei geschiedenen Ehen innerhalb von fünf Jahren lügt wahrscheinlich wie gedruckt.«
    »Tja …«
    »Ahnen Sie, worauf ich hinauswill?«
    »Sollte ich das?«
    »Klar. Ich bin der Sheriff von Warren County. Hier leben zweiundzwanzigtausend Menschen, und alle zweiundzwanzigtausend kennen mich. Ich kann hier nicht rumexperimentieren. Wenn ich mich für einen Mann entscheide, muss ich bei ihm bleiben. Aber wie kann ich mir einen Mann aussuchen, wenn ich als Frau eine totale Versagerin bin? Vielleicht sollte ich mich aufs Lesbischsein verlegen. Ich kleide mich ziemlich männlich.«
    »Haben Sie denn das Gefühl, dass Sie lesbisch sind?«
    »Nein. Eher, dass mir ein bisschen Rumexperimentieren guttäte, eine schnelle, nicht allzu tiefgehende Affäre mit einem erfahrenen Partner«, antwortete sie. »Mit den Männern aus der Gegend geht das nicht ohne Gerede.« Sie sah ihn mit ihrem blauen und ihrem grünen Auge an.
    »Nun, Sie haben meine volle Aufmerksamkeit«, sagte Virgil.
     
    Auf der Fahrt vom Holiday Inn zum Café dachte Virgil über Lee Coakleys ziemlich unverhohlenen Vorschlag nach. Im Café bestellte er ein Stück Kirschkuchen und eine Cola light.
    Jacoby, der Inhaber, servierte ihm den Kuchen höchstpersönlich. »Hallo, Virgil. Gibt’s was Neues?«
    Die Gäste in der Nähe verstummten, und der einzige Mann, der ein wenig weiter weg auf einem Hocker saß, rückte auf.
    »Kennen Sie eine Person oder einen Ort mit dem Namen Liberty?«, fragte Virgil. »Hier in der Gegend?«
    »Liberty?«, wiederholte Jacoby. »Nein. Ist das wichtig?«
    »Könnte im Mordfall Kelly Baker weiterhelfen«, antwortete Virgil.
    »Es gibt ein ›New Liberty‹, aber das ist drüben in Iowa, hinter Cedar Rapids«, meldete sich ein Mann in der Nische hinter Virgil zu Wort. »Das kann’s nicht sein, oder?«
    »Ich glaube, es müsste was in der näheren Umgebung sein«, erklärte Virgil. »Und eher eine Person. Nun ja, ich werde mich weiter umhören müssen.«
    »Wenn wir was erfahren, lassen wir es Sie wissen«, versprach Jacoby und beobachtete, wie Virgil einen Bissen von dem Kuchen nahm. »Und, wie ist der Kuchen?«
    »Hab schon schlechteren gegessen«, antwortete Virgil.
    »Er weiß aber nicht mehr, wann«, bemerkte der Mann auf dem Hocker.
     
    Nachdem Virgil seine Informationen im Café losgeworden war, ging er hinaus zu seinem Truck. Einer der Gäste, ein schlanker Mann mit schütteren Haaren, einer lammfellgefütterten Jeansjacke und Lederhandschuhen, der bis auf die große Brille mit dem Plastikgestell wie ein Cowboy aussah, folgte ihm.
    »Virgil, ich würde gern mit Ihnen reden. Über den Trippjungen.«
    »Klar«, sagte Virgil. »Im Café, hier oder woanders? Wir könnten auch eine Spritztour mit dem Truck machen.«
    »Nicht hier. Wie wär’s mit dem Wagen?«
    Der Mann, der sich als Dick Street vorstellte, hatte eine Farm in Battenberg, wohnte jedoch in Homestead. »Ich benutze das Silo in Battenberg, und daher kannte ich den Tripp-Jungen. Wissen Sie, dass er Footballspieler war?«
    »Ja. Hat sich eine Verletzung zugezogen und wollte nächstes Jahr nach Marshall«, antwortete Virgil, während er den Wagen rückwärts aus dem Parkplatz lenkte.
    »Genau. Ich hab meiner Tochter gegenüber mal erwähnt, dass ich ihn nett finde, weil er fleißig ist, und dass er gut aussieht. Sie war in derselben Jahrgangsstufe wie er und hat gesagt: ›Ja, aber ich glaube, er ist schwul.‹«
    »Ihre Tochter hat Ihnen das erzählt?«
    »Ja. Ich wäre fast vom Stuhl gefallen und hab sie gefragt, wie sie auf die Idee kommt. Sie hat geantwortet: ›Ist nur so ein Gefühl.‹ Ihre Freundinnen waren auch der Meinung.«
    »Und seine Schulkameraden?«, fragte Virgil.
    »Keine Ahnung. Jedenfalls ging das Gerücht. Bei einem Mord spielt es wahrscheinlich keine Rolle, ob man schwul ist oder heterosexuell, aber irgendwie wurde das ein heißes Thema beim Essen, weil meine Tochter dachte, er hätte was mit jemandem angefangen.«
    »Hat sie eine Ahnung, mit wem?«
    »Reden Sie selber mit ihr«, sagte Street.

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