Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
die?«
»Wollen Sie noch mal raus zu den Bakers?«, fragte Lee Coakley.
»Ja. Den Nachbarn was ins Ohr flüstern … sobald ich mit Clare geredet habe.«
»Sie wollen also ihre Freunde gegen sie aufhetzen«, stellte Clare Kreuger skeptisch fest.
»Nein, die Freunde interessieren mich nicht. Ich brauche die Leute, die ein Hühnchen mit ihnen zu rupfen haben«, erklärte Virgil.
»Widerlich …«, sagte die Briefträgerin, die aussah, als hätte sie zu viel Zeit draußen verbracht. Sie trug einen Nylonparka, eine Nylonwindhose und Galoschen. Sie standen vor dem Ladebereich der Post, wo Clare ihren Wagen geparkt hatte.
»Ja, finde ich auch«, pflichtete Virgil ihr bei. »Aber wir haben vier Leichen und keinen Mörder. Sonst würde ich es nicht so anpacken.«
»Sie haben recht: Es sind schon zu viele Leichen. Ich weiß, dass sich die Bakers und Brian Craig nicht grün sind, wegen eines Entwässerungsproblems. Und mit Peter Van Mann kommen sie, glaube ich, auch nicht zurecht. Da ging’s um irgendwas mit einem Hund. Ist vor meiner Zeit passiert. Gehen wir rein, dann zeige ich Ihnen alles auf der Karte …«
Die Sonne versank bereits im Südwesten, als Virgil den Wagen auf das Craig-Grundstück lenkte. Craig, teilte ihm seine Frau mit, sei in der Scheune, den Heuwagen reparieren, der sich bei der letzten Fuhre Ende des Sommers verzogen habe. Der Winter, wenn die Feldarbeit ruhte, war die Zeit, sich solchen Aufgaben zu widmen.
Als Virgil die Scheune betrat, mühte Craig sich gerade ab, das Gefährt auf einen Wagenheber zu hieven. Er bemerkte Virgil und hielt inne.
»Wer sind Sie?«, fragte er.
»Polizei, vom SKA«, antwortete Virgil. »Ich würde gern mit Ihnen reden.«
»Worüber?«
»Über Kelly Baker im Besonderen und die Bakers im Allgemeinen.«
»Viel weiß ich nicht über Kelly …«
Seine Frau gesellte sich zu ihnen.
»Ich will offen zu Ihnen sein«, sagte Virgil. »Wir haben ein Riesenproblem und …« Er schwieg kurz. »Was ist los mit dem Rahmen?«
»Ich hab einen Teil rausgeschweißt, und beim Hochstemmen verdreht er sich.«
»Lassen Sie sich helfen.«
Die folgenden fünf Minuten verbrachten sie damit, den Rahmen auf den Wagenheber zu hieven. Craig passte ein Stück Stahl in die Lücke ein und klemmte es fest, bevor er die Schutzbrille aufsetzte, Virgil ermahnte, nicht ins Feuer zu blicken, und zu schweißen begann. Schon bald war die Luft in der Scheune erfüllt vom Geruch schmelzenden Metalls. Sobald es abgekühlt war, überprüfte Craig sein Werk, nahm die Klemmen ab und bedankte sich bei Virgil.
»Wollen Sie auf einen Kaffee reinkommen?«, fragte seine Frau. »Hier draußen ist es ziemlich kalt.«
Virgil zuckte mit den Schultern.
»Warum nicht?«, meinte Craig. »Den Rest kriege ich allein hin.«
Drinnen setzten sie sich an den Küchentisch, und Virgil sagte: »Ich habe gehört, dass Sie und die Bakers sich nicht immer einig sind. Polizisten reden gern mit Leuten, die bestimmte andere Leute nicht mögen, um Dinge zu erfahren. Klingt gemein, ist aber effektiv.«
»Ja, klingt tatsächlich gemein«, pflichtete Craigs Frau ihm bei.
»Ich weiß gar nicht, wie Sie mit Vornamen heißen«, sagte Virgil.
»Judy.«
»Es geht um Mord, Judy. Ich habe mit den Bakers gesprochen, und ihre Behauptungen stimmen nicht mit den uns vorliegenden Beweisen überein.«
»Zum Beispiel?«, wollte Craig wissen.
»Zum Beispiel sagen Angehörige der Flood-Familie, dass sie die Bakers nicht so gut kennen, und die Bakers bestätigen das, aber andere Leute meinen, sie würden sich sogar ziemlich gut kennen und seien alle Mitglieder einer fundamentalistischen Sekte, die sich abschottet.«
Craig und seine Frau wechselten einen Blick, bevor Judy Craig fragte: »Was wissen Sie über ihre so genannte Religion?«
»Nicht viel«, antwortete Virgil.
Brian Craig beugte sich vor und tippte mit dem Finger auf den Tisch. »Unsere Kinder besuchen beide öffentliche Schulen. Ich sähe es nicht gern, wenn sie mit jemandem aus dieser Sekte zusammen wären. Ich will nicht, dass sie mit diesen Leuten in Kontakt kommen.«
»Würden Sie mir verraten, warum? Dies ist keine offizielle Aussage. Ich mache mir keine Notizen, bin aber für jede Information dankbar …«
Wieder wechselten die beiden einen Blick, und Judy Craig sagte: »Hier draußen sieht man sich jeden Tag, und selbst wenn man nicht viel miteinander redet, kennt man sich. Man kriegt mit, wann Kinder geboren werden und dass sie später nicht die Schule
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