Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
»Sie jobbt im Christmas Barn. Viele Farmer hier in der Gegend sind nicht gerade schwulenfreundlich. Möglicherweise hatte Flood es rausgefunden und Bob Tripp gedroht, es allen zu erzählen. Und Bob hat ihn umgebracht, um ihn daran zu hindern. Vielleicht hätte er ja das Football-Stipendium verloren, wenn sich rausgestellt hätte, dass er schwul ist?«
»Der Gedanke ist mir noch gar nicht gekommen«, log Virgil.
»Oder er hatte was mit Jake Flood.«
»Jake Flood war verheiratet«, sagte Virgil.
»Ja, aber unter uns: Irgendwas stimmte nicht mit ihm. Er hat die Leute immer so merkwürdig angesehen, irgendwie anzüglich. Manche Männer ziehen Frauen mit Blicken aus; Jake hat das bei Männern und Frauen gemacht. Mir wär’ nicht wohl dabei gewesen, wenn sich eine meiner Töchter in seiner Nähe aufgehalten hätte. Ob seine seltsame Art was bei Bobby ausgelöst hat?«
Sie waren fast wieder beim Café. »Ich werde mich mit Ihrer Tochter unterhalten. Wie heißt sie?«
»Maicy. Sie spricht sicher mit Ihnen. Sie redet gern.«
Als sie um die Ecke bogen, sagte Street: »Da vorn bei dem grauen Tundra können Sie mich rauslassen. Erzählen Sie niemandem von unserem Gespräch. Schließlich steht nicht fest, ob Bobby schwul war, und über die Toten darf man nicht schlecht reden. Aber ich dachte, ich sollte es Ihnen sagen.«
»Danke, Dick.«
»Das Christmas Barn ist vier Häuserblocks geradeaus, auf der rechten Seite. Die haben das beste Toffee der Welt.«
»Okay. Sind Sie zufrieden mit Ihrem Tundra?«
»Ist in Ordnung. Mein erster japanischer Truck. Es gab eine Rückrufaktion für die Fußmatten und fürs Gaspedal, aber ich hatte bisher keine Probleme. Wahrscheinlich werde ich mir trotzdem irgendwann wieder einen Chevy kaufen. Keine Ahnung, warum ich gewechselt habe. Schwierigkeiten mit Ihrem 4Runner?«
»Noch nicht«, antwortete Virgil. »Ich hab Sie nach dem Tundra gefragt, weil der 4Runner auf dem Modell basiert …«
Nachdem sie sich eine Weile über Autos unterhalten hatten, warf Street einen Blick auf seine Uhr. »Ich muss los. Bis bald im Café, vielleicht.«
Virgil bedankte sich noch einmal und fuhr die Straße hinunter.
Maicy redete in der Tat gern.
»Viele haben Bobby für schwul gehalten. Beim Reden hat er nicht die Mädchen angeschaut, sondern die Jungs«, erklärte sie. »Nicht angestarrt, aber man hat’s gespürt.«
»Weißt du, ob er mit jemandem zusammen war?«
»Nein, aber ich kann Ihnen jemanden sagen, der es wissen müsste. Jay Wenner, ein Freund von ihm. Jay ist ein Außenseiter, aber absolut hetero. Er studiert an der Uni in Minneapolis, am Institute of Technology. Den sollten Sie fragen.«
»Werd ich machen«, versprach Virgil.
Im Wagen rief er Sandy an, die Rechercheurin des SKA, und bat sie, Wenners Telefonnummer herauszufinden.
»Moment«, sagte sie. Eine Minute später nannte sie ihm die Handynummer.
»Wie machst du das?«, erkundigte sich Virgil.
»Technische Intelligenz«, antwortete sie.
»Das heißt, du schaust im Computer nach.«
»Genau. Könnte jeder Trottel.« Sie legte auf.
Sandy war schon eine Weile sauer auf ihn. Virgil hatte gehofft, dass sie sich allmählich beruhigte, doch das schien nicht der Fall zu sein.
Virgil erreichte Wenner zwischen zwei Kursen.
»Woher soll ich wissen, dass Sie mich nicht verarschen?«, fragte Wenner.
»Sie können mir ruhig glauben«, sagte Virgil. »Ich bin bei der Polizei.«
»Woher haben Sie diese Nummer? Die steht nicht im Telefonbuch.«
»Eine SKA-Rechercheurin hat sie mit dem Computer für mich recherchiert«, antwortete Virgil.
»Klingt nicht sonderlich plausibel«, erwiderte Wenner.
»Ich sitze hier in meinem Truck in Homestead, könnte zu Ihren Eltern fahren, mich ausweisen und sie bitten, Sie anzurufen. Oder Sie rufen selber beim SKA an und erfragen vom diensthabenden Beamten meine Handynummer. Egal, wie Sie’s machen, ich muss mit Ihnen reden.«
»Na schön. Ich hab im Netz über die Sache mit Bobby gelesen und bin entsetzt. Also: Was wollen Sie wissen?«
»Glauben Sie, dass Bobby schwul war?«, fragte Virgil.
Kurzes Schweigen, dann: »Wem werden Sie das verraten?«
»Niemandem, den’s nichts angeht. Ich frage mich nur, ob Homosexualität etwas mit diesem Mord zu tun hatte. Oder mit dem Mord an Jacob Flood.«
»Er war schwul«, bestätigte Wenner. »Das wussten nicht viele. Er hatte Kontakt mit … jemandem, keine Ahnung, mit wem.«
»Sie meinen sexuellen Kontakt? Bisher wissen wir nur von einem schwulen
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