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Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat

Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat

Titel: Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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eine Zeit lang tot war, als Crocker ihn entdeckt hat.«
    »Tja, so was passiert.« Virgil rollte die Cola-Dose zwischen den Händen hin und her. »Der Junge war also schwul. Für Schwule kann’s ziemlich hart werden, wenn sich ihre Neigung nicht mehr verheimlichen lässt. Besonders für junge schwule Sportcracks in kleinen Orten. Dazu gibt’s sogar einen Willie-Nelson-Song.«
    »›Cowboys Frequently Secretly‹«, sagte Lee Coakley. »Den kenn ich.«
    »Sie wollen also die Meinung eines Außenstehenden hören?«, fragte Virgil.
    »Nein, einen knallharten Ermittler. Wir haben Ike die Leiche geschickt, und …« Sie schwieg kurz. »Jim Crocker war früher Chief Deputy. Als Harlan in den Ruhestand gegangen ist, dachte Jim, er würde ganz automatisch der neue Sheriff. Aber da hat er sich getäuscht. Der wurde ich.«
    »Sie waren zuvor Polizistin in Homestead …«
    »Ja, die Chefermittlerin des Ortes. Ich hab den Job gekriegt und nicht Crocker. Er hat vor und nach der Wahl Dinge gesagt, die ihn als Chief Deputy untragbar machten. Weil man ihm nicht einfach kündigen konnte, und er immer schon eher ein Büromensch gewesen ist als ein Straßen-Cop oder ein Ermittler, habe ich ihn in die Verwaltung versetzt. Er hatte in der Nacht Dienst. Wir haben Bobbys Leiche zur Obduktion hier raufgeschickt, und Patras meint, dass es nach Selbstmord aussieht.«
    »Aber …«
    »Aber zwei oder drei Dinge machten ihn stutzig.« Sie kratzte sich an der Augenbraue. »Erstens: An Bobbys Rücken war ein blauer Fleck, ein runder blauer Fleck wie von einem Baseball. Konnte sich nicht richtig entwickeln, bevor die Blutzirkulation stoppte, aber er war zu erkennen. Wir haben ihn um vier Uhr nachmittags eingesperrt. Ike sagt, wenn der Schlag, der den blauen Fleck verursacht hat, zuvor erfolgt wäre, hätte er sehr viel stärker ausgeprägt sein müssen. In der Zelle konnten wir nichts finden, womit sich ein solcher blauer Fleck hätte erzeugen lassen. Es sah aus, als hätte ihm jemand das Knie ins Kreuz gedrückt.«
    »Okay, das wäre Punkt eins«, sagte Virgil.
    »Punkt zwei: Er hat sich mit einem Stück Stoff erhängt, das er von einer Kunstfaserdecke abgerissen hatte.«
    »Hing der Penis aus der Hose?«
    »Nein, das war nichts Sexuelles. Es hat ausgesehen, als hätte er sich erhängt, meint Ike. Aber ein Fingernagel von Bobby war abgebrochen, als hätte er sich aus der Schlinge befreien wollen.«
    »Hat sich’s wahrscheinlich im letzten Moment anders überlegt«, sagte Virgil. Als sie den Kopf schüttelte, fügte er hinzu: »Aber …«
    »Aber die Untersuchung der Fäden unter seinen Nägeln hat ergeben, dass es sich um Wolle handelt, nicht um Kunstfaser, genauer gesagt, um grüne Wolle. Die Uniformhosen der Polizei sind aus grüner Wolle. Ike sagt, so wie sich das Blut von seinen Nägeln mit der Wolle vermischt hat, besteht kein Zweifel dran, dass er noch am Leben war, als die Fasern unter seine Nägel gekommen sind.«
    »Und drittens?«
    »Bobbys Eltern behaupten, er hätte nie im Leben Selbstmord begangen. Und das glaube ich ihnen.«
    »Crocker.«
    »Aber warum? Die beiden schienen sich nicht mal zu kennen. Crocker wohnt ganz am westlichen Ende des County, näher an Jackson als an Homestead, also kannten sie sich vielleicht wirklich nicht.«
    »Folglich hat er kein Motiv.«
    »Möglicherweise doch. Ich habe gehört, dass Crocker und Jacob Flood, der Mann, den Tripp umgebracht hat, in der Kindheit befreundet waren. Aber ich kenne Crocker, er ist viel zu feige für einen Mord.«
    »Tripp könnte sich bei der Leibesvisitation gewehrt haben.«
    »Nein, er war mit Handschellen gefesselt, und außerdem sagt Ike, der Nagel wäre zum Todeszeitpunkt abgebrochen. Er ist sich ganz sicher.«
    »Hm.«
    »Verstehen Sie mein Problem?«, fragte Lee Coakley. »Ich muss gegen den Mann ermitteln, der sich um dieselbe Sheriffstelle wie ich beworben hat und den ich ausgestochen habe, in einem Mordfall, den alle, auch sämtliche Kollegen, für einen Selbstmord halten.«
    »Ja, ich verstehe Ihr Problem durchaus«, sagte Virgil.
     
    Während Lee Coakley sich eine zweite Tasse Kaffee machte, rief Virgil seinen Chef Lucas Davenport an und schilderte ihm die Situation.
    »Hilf ihr. Wenn wir sie unterstützen, schuldet sie uns was.«
    »Und obendrein lösen wir einen tückischen Fall«, bemerkte Virgil.
    »Ja. Die klassische Win-win-Situation, was? Ich regle die Sache hier für dich«, versprach Davenport.
     
    Virgil legte auf. »Ich habe das Okay. Wenn Sie

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