Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
zurück in die Garage, trat auf die vordere Veranda und machte ein paar Bilder mit der Nikon.
Dann setzte er sich in den Truck und überlegte, wie er an die Fotos im Haus von Rouse gelangen konnte. Irgendwie musste er an sie herankommen.
Vielleicht mit Hilfe einer Lüge.
Lee rief Virgil an. »Seine Eltern sagen, er wollte in die Twin Cities, sich einen Job suchen. Sie wissen nicht, wo er schläft, und auch nicht, wann er zurückkommt.«
»Ist das die Wahrheit?«
»Ich glaube nicht. Seine Mutter hatte so einen Blick. Sie macht uns was vor. Gene ist der gleichen Meinung.«
»Möchtest du mit mir nach Sleepy Eye fahren?«
»Eher nicht. Ich suche lieber nach Loewe. Aber ruf mich an, wenn du dort bist … Ich kann mich immer noch nicht so recht mit deiner Idee anfreunden.«
»Mehr haben wir nicht«, sagte Virgil. »Ich möchte es wenigstens versuchen.«
Auf dem Weg nach Norden dachte Virgil über seinen Plan nach, Louise Gordon als Lockvogel zu benutzen, und über das SKA-Haus des Zeugenschutzprogramms. Leider befand sich das in Burnsville, einem Vorort der Twin Cities. Sie brauchten einen kleinen Ort wie Sleepy Eye, um alles im Blick zu haben.
Zum Glück gab es in Minnesota mehr als genug kleine Orte, wo Fremde sofort auffielen.
Sleepy Eye hatte dreitausendfünfhundert Einwohner, die üblichen Kleinstadtläden und zwei Cafés. Er fuhr zu Louise Gordons Haus, klopfte, stellte fest, dass niemand da war, und machte sich auf den Weg zu einer Kneipe mit dem Namen Doreen’s, die Virgil kannte.
Am Nachmittag war nicht viel los. Zwei ältere Männer am einen Ende der Theke unterhielten sich über Krankheiten. Virgil bestellte einen Hamburger und Pommes. Als sie serviert wurden, zeigte er der Kellnerin seinen Dienstausweis und fragte: »Wissen Sie, wo Louise Gordon arbeitet? Ich war gerade bei ihrem Haus, aber es war niemand da.«
»Was ist los mit Louise?«, erkundigte sie sich.
»Nichts Schlimmes. Wir haben uns vorgestern Abend über eine gemeinsame Bekannte, ihre Schwester, unterhalten, und ich möchte noch einmal mit ihr sprechen. Ich habe vergessen, sie zu fragen, wo sie arbeitet.«
Die Frau warf einen zweiten Blick auf seinen Ausweis, bevor sie antwortete: »Bei Phillip’s, dem Haushaltswarenladen. Sie hat doch keine Probleme, oder?«
»Nein, nein. Ich muss nur mit ihr reden«, versicherte ihr Virgil. »Haben Sie Obstkuchen?«
»Fünf Sorten – Kirsche, Blaubeere, Himbeere, Erdbeere und Waldbeeren.«
»Himbeerkuchen, bitte.«
»Warm?«
»Ja, gern.«
»Mit Eis?«
»Warum nicht? Solange es keine Kalorien hat.«
Sie schnaubte verächtlich: Den Witz hatte sie schon hundertmal gehört. »Lucy. So heißt die Zwillingsschwester von Louise.«
»Ist eine ziemlich nette Lady«, sagte Virgil.
Louise sortierte am hinteren Ende des menschenleeren Haushaltswarenladens Schrauben und Muttern in Dosen. Beim Betreten des Geschäfts hörte Virgil die Stimmen zweier Männer aus der Werkstatt und das Klappern von Metall auf Metall.
Als Louise ihn bemerkte, runzelte sie die Stirn und fragte: »Wie haben Sie rausgekriegt, wen ich angerufen habe?«
»Lucy hat sich bei Ihnen gemeldet? Lenore? Birdy?«
»Ja, gleich nachdem Sie weg waren. Sie wusste, dass Sie sie über mich aufgespürt haben. Ich telefoniere drei Monate lang nicht mit ihr, dann rufe ich sie an, und am nächsten Tag kreuzen Sie auf.«
Virgil nickte. »Ich bin Ihnen zum Haus Ihrer Freundin gefolgt und habe die ausgehenden Telefonate am folgenden Morgen überprüfen lassen.«
»Ich habe aufgepasst, ob mir jemand folgt.«
»Ich habe auf der Straße hinter Ihrem Haus auf Sie gewartet.«
»Ganz schön durchtrieben.« Sie betrachtete die Schrauben in ihrer Hand, nahm eine heraus und warf sie in eine Dose. »Und was wollen Sie jetzt von mir?«
»Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen und hören, ob Sie mir helfen können.«
»Warum sollte ich das?«
»Weil Sie ein anständiger Mensch sind? Oder weil es wesentlich aufregender wäre, als Schrauben zu sortieren?«
Wieder ein Blick auf die Schrauben in ihrer Hand. »Holen wir uns einen Kaffee.«
Sie gingen hinüber zu Doreen’s und setzten sich in eine Nische.
»Was wissen Sie über Lucys Liebesleben? Während ihrer Ehe mit Roland?«, fragte Virgil Louise.
»Genug. Ich weiß Bescheid über den Partnertausch. Und Sie sagen, dass die jetzt möglicherweise Kinder missbrauchen.«
»Nicht erst jetzt … schon lange. Seit Generationen.« Er erzählte ihr von Kelly Baker, dass sie Sex mit
Weitere Kostenlose Bücher