Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
schottete sich so sehr ab, dass sie nicht genügend Informationen für einen Durchsuchungsbefehl hatten.
»Wir müssen eine Möglichkeit finden, in den inneren Zirkel vorzudringen. Wenn uns das gelingt, können wir einzelne Glieder herauslösen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Die reden nicht übereinander. Wenn einer erwischt wird, akzeptiert er das. Vielleicht schaffen Sie es, ein paar von ihnen hinter Gitter zu bringen, aber sie werden sich niemals gegenseitig verraten.«
»Irgendwas müssen wir unternehmen«, sagte Virgil.
»Ohne mich. Ich führe hier ein geregeltes Leben und habe einen Freund. Wenn der was davon erfahren würde … Tut mir leid.«
Obwohl sie noch eine halbe Stunde auf sie einredeten, ließ sie sich nicht umstimmen.
Draußen auf der Treppe sagte Murphy: »Tja, schade. Was wollen Sie jetzt machen?«
»Ich fahre fünf Stunden zurück nach Minnesota. Dabei habe ich Zeit zum Nachdenken.«
Um zehn Uhr, auf der I-90 in östlicher Richtung, eine halbe Stunde vor Homestead, rief Virgil Lee Coakley an. »Omaha war ein Reinfall.«
»Aber es war Birdy?«
»Ja, allerdings wird sie uns keine große Hilfe sein. Sie weiß nichts Definitives über die Kinder. Am Handy will ich nicht darüber reden.«
»Treffen wir uns in einer halben Stunde im Holiday, in der Bar.«
»In der Bar.«
»In einer halben Stunde.«
Lee rutschte in der Nische von ihm weg und sagte: »Ich war im Yellow Dog. Bill hat mich gefragt: ›Wie geht’s Virgil?‹ Er scheint Bescheid zu wissen. Oder etwas zu ahnen.«
»Na und?«
»Mir wär’s lieber, wenn er nichts wüsste«, antwortete sie. »Deshalb möchte ich, dass Leute beobachten, wie ich die Bar ohne dich verlasse und du allein auf dein Zimmer gehst.«
»Es ist schrecklich kalt und einsam«, bemerkte Virgil.
»Keine Sorge, Virgil. Ich fahre nach Hause und komme mit dem Wagen meines ältesten Sohnes zurück. Dahinten sitzen alte Freunde von mir. Ich stehe jetzt auf und unterhalte mich kurz mit ihnen über den Fall. Du kannst ›Bis morgen‹ sagen und an uns vorbeigehen. Ganz cool.«
»Ich glaube nicht, dass das funktioniert«, wandte Virgil ein. »Der Ort ist einfach zu klein.«
»Vielleicht klappt’s nicht ganz, aber es wird sie verwirren.«
Eine Stunde später kehrte sie zurück, erfreut darüber, alle an der Nase herumgeführt zu haben.
»Ich habe meinem Sohn vorgeflunkert, dass wir jemanden observieren«, erklärte sie, während sie den Pullover auszog. »Und nun erzähl mir von Omaha.«
Er tat ihr den Gefallen.
»Schade. Was heißt, dass es eine lokale Angelegenheit bleibt.«
»Sieht ganz so aus.«
»Weißt du, was wir hätten tun können? Eins der Rouse-Fotos per Post an uns selber schicken. Ein anonymer Hinweis. Dann hätten wir das Haus durchsuchen können …«
»Das hätte zu schlimmen Lügen vor Gericht geführt«, gab Virgil zu bedenken. »Hin und wieder ein kleiner Einbruch ist ganz okay, aber ein echter Meineid …«
Sie nickte. »Gut, stimmt.«
»Wollte nur sichergehen.«
»Ich grüble die ganze Zeit über den Fall. Das ist wie eine Sucht.«
Virgil, der auf dem Bett saß, packte sie am Gürtel, zog sie zu sich heran und löste die Schnalle.
Sie ließ ihre Fingernägel über seinen Kopf gleiten und sagte: »Schickel und Brown haben heute den ganzen westlichen Teil des County abgegrast, ohne Erfolg. Immerhin kommen so die Buschtrommeln in Gang.«
Virgil zog ihr die Jeans herunter, um ihre Oberschenkel zu streicheln. »Eine Idee hätte ich. Aber die ist ziemlich abgefahren.«
»Erklär sie mir. Später.«
Später sagte er: »Birdy ist vor acht oder neun Jahren weg von der Welt des Geistes, nachdem sie von den Leuten bedroht wurde. Sie haben keine Ahnung, wo sie ist.«
»Virgil, du darfst es ihnen nicht verraten.«
»Keine Sorge. Sie ist in Nebraska; da können wir im Falle eines Falles nichts für sie tun. Ihre Zwillingsschwester lebt hier in Minnesota, und die sieht genauso aus wie sie und klingt wie sie.«
»Virgil …«
»Ich möchte ihr alles erklären. Vielleicht kann ich sie zum Mitmachen überreden. Wir setzen sie in ein Haus, wo wir sie schützen können, und lassen eine besondere Telefonleitung installieren. Sie ruft Roland Olms an und sagt: ›Virgil Flowers war bei mir. Er ermittelt im Mordfall Kelly Baker. Wenn ich nicht über die Kirche rede, klagen sie mich als Komplizin an. Was soll ich tun? Ich habe Angst.‹ Und dann warten wir, was passiert.«
»Sie verrät ihnen, wo sie ist?«
»Nein, aber die kriegen
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