Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
ihre Telefonnummer«, antwortete Virgil. »Wir sorgen dafür, dass sie registriert ist.«
»Klingt kompliziert.«
»Es würde nur ein paar Tage dauern, alles zu organisieren. Wir haben oben in Burnsville ein Haus, wo wir Zeugen unterbringen; das steht im Moment leer. Es könnte funktionieren.«
»Lass uns lieber noch einen Plan B ausarbeiten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich darauf einlässt.«
Am folgenden Morgen stand Virgil auf, noch ein wenig erschöpft von der langen Fahrt tags zuvor, und machte sich auf den Weg ins Yellow Dog. Lee saß bereits mit einem Teller Pfannkuchen dort.
Jacoby gesellte sich mit der Speisekarte zu ihnen und erkundigte sich: »Gibt’s was Neues?«
»Nein. Ich spiele mit dem Gedanken zu verschwinden«, antwortete Virgil. »Eine kleine Portion Blaubeerpfannkuchen und eine Cola light.«
»Dann kommt sie also ungeschoren davon?«
»Das ist noch nicht gesagt, Bill«, erklärte Lee Coakley. »Wir wissen ja nicht sicher, ob sie was verbrochen hat.«
»Herrgott, das wäre wirklich nicht gerecht«, brummte Jacoby und ging in die Küche.
»Hast du nachgedacht?«, fragte Virgil Lee.
»Mir ist dein Plan zu schräg. Wir sollten es anders angehen.«
»Dieser Loewe«, sagte Virgil. »Dem geht der Arsch auf Grundeis. Knöpfen wir uns den noch mal vor, gleich nach dem Frühstück.«
»Okay. Nehmen wir Schickel mit, das erhöht den Druck.«
Als sie mit dem Frühstück fertig waren, folgte Virgil Lee zum Sheriffbüro, um Schickel zu holen, der sich in den Wagen von Lee setzte, während Virgil mit seinem Truck vorausfuhr. Als sie das Haus von Loewe erreichten, klopften sie an die Tür. Keine Reaktion.
Und kein Auto. Virgil warf einen Blick in die Garage: leer.
»Besser so«, sagte Lee. »Wenn der Wagen in der Garage gewesen wäre, hätte ich mir überlegt, ob er tot da drinnen liegt.«
»Ist wahrscheinlich nur kurz in der Stadt«, mutmaßte Schickel. »Wir könnten seine Eltern fragen, wann er zurückkommt.«
Virgil ging auf die vordere Veranda, auf der über zwanzig Zentimeter Schnee lagen, und blickte durch eins der Fenster ins Haus. Durch die Scheibe erkannte er fünf oder sechs mit Plastikfolie zugedeckte Möbelstücke und eine Ecke der Arbeitsfläche in der Küche. Sie war leer geräumt.
Schickel und Lee Coakley beobachteten ihn von der Auffahrt aus.
Als Virgil fluchte, rief Lee: »Was ist?«
»Ich glaube, er ist weg. Sieht aus, als hätte er das Haus eingemottet.«
»Scheiße. Er kann doch nicht …«
»Ich versuch mal, durch ein anderes Fenster reinzuschauen«, sagte Virgil und ging ums Haus herum, aber die Fenster lagen zu hoch. Er sah in die Garage, entdeckte eine alte Trittleiter aus Holz, stellte sie ans Küchenfenster und spähte durch die offenen Lamellen der Jalousie. Die Küche war leer – der Esstisch abgeräumt und mit transparenter Folie umwickelt.
Schickel, der sich ein paar Meter vom Haus entfernt hatte, stellte fest: »Aus dem Kamin kommt kein Rauch.«
»Fahren wir zu seinen Eltern«, schlug Lee vor.
»Fahrt ihr voraus«, sagte Virgil. »Ich hole meine Kamera und mache durchs Fenster ein paar Aufnahmen.«
»Wozu?«, fragte Schickel.
Virgil, der nicht die Wahrheit sagen wollte – um mir ungestört Zutritt zum Haus zu verschaffen –, antwortete: »Als Dokumentation, dass er abgehauen ist. Vielleicht kriegen wir so leichter einen Durchsuchungsbefehl.«
Schickel zuckte die Achseln, und Lee Coakley erklärte: »Wir rufen dich an, wenn wir da sind.«
Virgil trat auf ihre Seite des Wagens, Schickel auf die andere. Virgil sagte: »Rouse.«
Sie nickte.
Lee Coakley lenkte den Wagen auf die Straße.
Virgil holte seine Nikon aus dem Truck, nahm das Buttermesser unter dem Vordersitz heraus und machte sich an der Küchentür an die Arbeit. Schon bald merkte er, dass das Messer ihm nichts nützte; das Schloss war zu neu.
Er tastete den oberen Teil des Türrahmens nach einem Schlüssel ab, fand keinen, überprüfte den Fensterrahmen daneben, wieder ohne Erfolg, ging noch einmal in die Garage, um sich dort umzusehen, und entdeckte einen.
Kurze Zeit später war er im Haus. Es bestand kein Zweifel: Loewe hatte das Weite gesucht. Keine Nachricht, nichts, was anzuschauen sich gelohnt hätte, obwohl es einen ganzen Raum voller Kartons mit Geschirr und anderen Haushaltssachen gab, alles mit Plastikplane zugedeckt.
Kühlschrank und Herd waren ausgesteckt, die Mikrowelle fehlte ganz, das Wasser war abgedreht.
Virgil verließ das Haus, legte den Schlüssel
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