Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
sagte dann: »Ja, ich glaube schon.«
»Die Tochter von Karl und Greta Rouse. Hat sie Ihres Wissens sexuelle Beziehungen mit den Männern aus der Welt des Geistes?«
Wieder wich sie seinem Blick aus und schüttelte den Kopf, bevor sie antwortete: »Ja.«
»Wissen die Bakers, Kelly Bakers Eltern, mit wem ihre Tochter zum Zeitpunkt ihres Todes zusammen war?«
Nun senkte sie den Blick, schüttelte ein letztes Mal den Kopf und sagte: »Ja. Aber sie wurde nicht ermordet, sondern ist einfach gestorben. Vielleicht … weil es zu heiß herging.«
Virgil, der ihr am liebsten eine Ohrfeige verpasst hätte, sagte zu Shrake: »Nimm sie mit.« Und zu den anderen: »Gehen wir, Leute.«
Virgil trat mit euphorischem Gefühl hinaus: Er hatte sie. Gleichzeitig dachte er: Darf ich mich darüber freuen, dass Kinder missbraucht werden?
Jenkins vertraute er an: »Irgendwie macht mich das high, dass ich recht hatte. Dass tatsächlich Kinder missbraucht werden.«
»Nicht deswegen fühlst du dich high«, widersprach Jenkins. »Sondern weil wir dem Treiben ein Ende machen.«
»Stimmt«, pflichtete Virgil ihm bei. »Danke für deine Neuinterpretation.«
»Gern geschehen. Ich hol mal ein paar Sachen aus Shrakes Truck.«
Jenkins nahm eine kugelsichere Weste, zwei M16 mit Red-Dot-Zielfernrohr für schlechte Lichtverhältnisse und zehn Dreißiger-Magazine heraus. »Eins für dich, wenn du möchtest«, sagte er.
»Ist mir ein bisschen zu schweres Geschütz«, bemerkte Virgil.
»Zu schweres Geschütz hatte ich noch nie, eher zu leichtes. Danach habe ich mich für eine Neuinterpretation entschieden.«
Sie fuhren den Highway 56 nach Süden zur I-90. Brown und Schickel folgten in fünfminütigem Abstand, weil Brown zur Toilette musste und im Ort Pepsi kaufen wollte.
»Clay hat bloß Coca-Cola«, sagte er, »und die Plörre mag ich nicht.«
Jenkins lenkte den Wagen, während Virgil mit Lee telefonierte. Er beschrieb ihr den Verlauf der Aktion und was sie auf Band hatten.
»Wir haben alles, was wir brauchen. Die drei sind unterwegs in deine Richtung und hängen wahrscheinlich am Handy. Sie wissen, dass wir die Sache mit dem Kindesmissbrauch aufgedeckt haben, also müssen wir uns das Haus von Rouse gleich vornehmen. Trommle ein paar Leute zusammen und fahr hin. Sofort.«
»Wir brechen zu viert auf. Der Durchsuchungsbefehl liegt bereit, und ich habe den Richter informiert. Er unterschreibt ihn, sobald du das Okay gibst.«
»Gut.«
Jenkins fuhr zu schnell, mehr als hundertvierzig Stundenkilometer. Als sie über einen Hügel brausten, flammte auf einem entgegenkommenden Wagen Blaulicht auf.
»Scheiße, die Cops«, sagte Jenkins.
Er bremste und lenkte den Truck an den Straßenrand. Der Streifenwagen wendete und hielt hinter ihnen. Währenddessen schaltete Virgil sein eigenes Blaulicht ein.
Als Jenkins aussteigen wollte, herrschte ihn der Polizist an: »Bleiben Sie im Wagen, Sir.«
Virgil beendete das Gespräch mit Lee und drückte auf den Schnellwahlknopf fürs SKA. »Könnte sein, dass wir uns einen Highway Patrolman für eine große Aktion in Homestead borgen müssen«, erklärte er dem diensthabenden Beamten. »Den Namen gebe ich Ihnen gleich durch. Könnten Sie das arrangieren?«
»Wenn ich den Namen habe«, antwortete der diensthabende Beamte.
Der Streifenpolizist leuchtete mit einer Taschenlampe in den Truck und entdeckte die beiden M16 auf dem Boden.
Jenkins streckte seinen Dienstausweis nach draußen und sagte: »SKA. Wir müssen zu einem dringenden Einsatz nach Homestead.«
Der Polizist sah sich den Ausweis an.
»Wir nehmen gerade Kontakt mit Ihrem Vorgesetzten auf«, teilte Virgil ihm mit. »Wahrscheinlich müssen Sie uns begleiten.«
»Wie bitte? Ich wollte heim zum Essen.«
»Das muss warten«, erwiderte Virgil. »Wir sind unterwegs nach Homestead, und es könnte sein, dass wir Hilfe brauchen.«
»Was haben Sie vor? Mit über hundertvierzig Sachen unterwegs, wo nur achtzig erlaubt sind … Sind Sie dieser verdammte Flowers?«
»Ja, genau. Verpassen Sie Jenkins ruhig einen Strafzettel, wenn Sie wollen. Stellen Sie ihn unterwegs aus, das spart Zeit.«
Virgil fragte ihn nach seinem Namen – Andersson mit zwei s – und gab ihn weiter. Kurz darauf erhielt Andersson einen Anruf in seinem eigenen Wagen. Er blieb eine Weile am Telefon, bevor er zu Virgil und Jenkins zurückkehrte.
»Scheint, als ob ich Sie tatsächlich begleite …«
In dem Augenblick kamen Brown und Schickel mit fast hundertfünfzig
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