Virtuelle Küsse (German Edition)
setzten uns an einen
freien Tisch am Fenster. "Ich hätte gerne einen Kaffee" sagte ich und sah ihn an. "Nimmst Du
das gleiche? Erzähl doch mal wie Du zu Deinem interessanten Job gekommen bist.
Möbeldesigner. Das ist sicher toll.", begann ich lahm ein Gespräch und musterte ihn. Er trug
eine dunkelgrüne verwaschene Cordhose und ein blau-schwarz kariertes Holzfällerhemd. Es
hatte unter der rechten Brusttasche ein Loch. Greg sah nicht so aus als hätte er sich für unser
Treffen sorgfältig zurechtgemacht. Er sah mich mit starren hellgrauen Fischaugen über den
Tisch hinweg an. Seine Augen leben überhaupt nicht, dachte ich unbehaglich. Wie frisch
geangelt! Was mache ich hier bloß?! "Für mich einen Kaffee mit doppeltem Schnaps und für
die Lady einen ohne" grinste Greg als die Bedienung an unseren Tisch kam. "Ich habe den
Laden von meinem Vater geerbt. Er ist vor zwei Jahren abgenippelt. Er wollte dass ich vorher
noch heirate, aber es war nichts auf dem Markt." Er lachte anzüglich. Die Bedienung kam mit
dem Kaffee und ich war froh über die Unterbrechung. Ich nahm einen großen Schluck aus
meiner Tasse und verbrannte mir so dermaßen den Mund dass mir die Tränen in die Augen
schossen. Viel zu heiß! "Naja, damals als mein Alter mir´s sagte war´s mir egal aber heut
denk ich anders darüber. Wär schön wenn ein Weib im Haus wär und sich um alles kümmert.
Von den anderen Sachen ganz zu schweigen." Er musterte mich unverschämt. Sein Blick
blieb an meinem Ausschnitt hängen. "Du tätest mir schon gefallen. Bist Du wirklich Single?"
"Ja, bin ich, aber ich bin auch nicht wirklich auf der Suche. Ich freue mich gerade mehr über
nette Bekanntschaften zum Ausgehen und tanzen gehen. Tut mir leid mit Deinem Vater. Es ist
sicher schlimm wenn man ein Elternteil verliert." "Für den alten Sack war´s nich' schlimm. Er
war ziemlich krank am Schluss. Da wurd´s Zeit! Außerdem hat er mir einen Haufen Geld
hinterlassen und die Firma. Wir bräuchten auch ´ne neue Sekretärin. Hast Du Lust?"
Er brauchte mir nicht weiter zu erklären was er mit seiner Sekretärin im Sinn hatte. Ich sah es
ihm an. "Ich habe einen guten Job" sagte ich und sah ihm ins Gesicht. Ich war entsetzt über
seine Ausdrucksweise bezüglich seines Vaters, ließ mir aber nichts anmerken. Ich lächelte ihn
weiterhin an und gab meiner Stimme einen interessierten Tonfall. "Ich will eigentlich nicht
wechseln. Meine Kollegen sind super nett. Wir arbeiten schon jahrelang zusammen." Greg
trank einen Schluck Kaffee. Er hatte schmutzige Fingernägel. Abgehakt. Jetzt noch
anstandshalber den Kaffee laaaangsam austrinken und sich dann höflich aber bestimmt vom
Acker machen.
"Was machst Du in Deiner Freizeit?" wechselte ich das Thema und beobachtete seine Augen.
Kleine Pupillen in den Fischaugen. So etwas haßte ich. Solche Augen waren kalt und hatten
nichts vertrauenerweckendes. "Wir sind abends immer im Casino in Canden. Komm doch mal
mit. Mußt halt für uns das kleine durchsichtige Schwarze anziehen" lachte Greg. Auch noch
ein professioneller Spieler! Ich wünschte mich weit weg. Die Rettung kam im gleichen
Augenblick aus meiner linken Hosentasche. Mein Handy meldete eine SMS. Einfach genial,
wie Gedankenkraft wieder mal funktionierte. "Bitte entschuldige mich einen Moment." Auf
dem Weg zu den Toiletten las ich die Mail. Von Micky.
>Hi Babe, ruf mich doch mal an wenn du verfügbar bist. Dringend. Love+Kiss Micky.<
Ich zog mir im Waschraum die Lippen nach und kehrte zu Greg zurück. "Entschuldige bitte,
mir ist etwas dazwischen gekommen. Ich sollte nach Hause fahren. Können wir dann zahlen?"
Ich winkte der Bedienung, setzte mich noch kurz und trank meinen Kaffee aus. "Was
wichtiges? Ausgerechnet jetzt?" Greg zahlte. Ich ließ ihn gewähren, denn ich hatte keine Lust
auf eine Szene über Eigenständigkeit und Emanzipation. Greg stand auf und ging vor mir
durch die Tür ohne sie mir aufzuhalten. Von guten Manieren hatte er offenbar noch nie etwas
gehört. Wie anders war da Dominic. Dominic. Ich hätte heulen können. Ich mußte wohl
bescheuert sein meine Zeit mit irgendwelchen nichtssagenden Typen zu verschwenden, nur
um gedanklich von Dominic weg zu kommen. So etwas wie heute brachte ihn mir nur näher!
"Ja, meine Freundin braucht dringend meine Hilfe." Ich bog in Richtung Parkplatz ab. "Es tut
mir leid." "Jetzt hatte ich ja gar nichts von Dir" quengelte Greg. "Lass uns noch einen kleinen
Spaziergang machen. Nur ein paar Minuten."
Draußen war es
Weitere Kostenlose Bücher