Virtuelle Küsse (German Edition)
so sein?
13
Ich musste es mir endlich eingestehen, ich war verliebt in Dominic, rückhaltlos, leichtsinnig,
und dieser Gedanke machte mich hilflos und gleichzeitig rebellisch. Ich ahnte mehr Dinge
über ihn als dass ich sie wusste, und doch konnte ich die Gedanken nicht ausweiten und
richtig in mir zulassen, geschweige denn Dominic einfach anrufen und mit ihm darüber
kommunizieren, da er ja gebunden war.
Ich beschloss die Angelegenheit mit Dominic in eine Schublade meines Gehirns zu packen,
diese zuzuschlagen und fest abzuschließen, und mir statt dessen die Post der letzten zwei
Wochen auf meiner Internet- Seite anzusehen und wieder, wie schon einmal geplant,
anzufangen andere Kontakte zu knüpfen und mehr auszugehen. Dominic war wie ein
Phantom, latent vorhanden, lauernd, jedoch für mich nicht greifbar. In der Realität also reine
Zeitverschwendung.
Ich stand vom Sofa auf und startete den PC. 'Sie haben Post', tönte es aus den LautsprecherBoxen. 12 ungelesene Briefe. Wow! Manche mit Foto. Ich suchte einen Brief von Greg,
meinem letzten Kontakt. Ich fand zwei und ich las sie zuerst. Im ersten dankte er mir höflich
für meine Antwort und schlug ein Date hier in Eddie´s Coffee- Shop vor. Vorgestern. Das war
mal. Da war ich beschäftigt. Mit einem Traum. DD. Jetzt eher schon in Richtung Alp traum.
Im zweiten Brief wunderte sich Greg warum ich nichts hören ließ und bat um eine Antwort.
Ich merkte dass ich mich entspannte.
Ist vielleicht doch nicht so schlecht einfach ein bisschen zu kommunizieren, dachte ich. Es
fördert auf jeden Fall die Redegewandtheit.
Nächster Brief. >Suche eine Mutter für meine drei Kinder, die bei mir wohnen<, schrieb
"Hausmann mit Pep". Auf seinem Foto stand er in Shorts am Herd und hielt einen
(hoffentlich) toten Hasen über einen großen Kochtopf. Seine Beine waren behaart
wie die eines Pudels. Das ist ja alles widerlich, dachte ich und klickte ihn weg. Wenn er es
wagen würde sowas in meiner Gegenwart abends auf den Tisch zu bringen würde ich ihn mit
der Bratpfanne erschlagen.
Der nächste interessierte mich. "Seaside" klang vielversprechend. Das Foto war schön.
Dunkle Augen, nicht so dunkel wie Dominics, etwas heller, blonde Locken bis auf die
Schultern. Er stand auf einer Klippe und sah aufs Meer. Tiefgründiges Gesicht, worin man
viel lesen konnte. Schöne Augenbrauen. Sowas gefiel mir.
>Suche nette Begleitung zum reisen, spazieren gehen und Motorrad fahren<, schrieb er in
seinem Profil. >Bin nicht an seitenlangen nichtssagenden Briefen interessiert, für mich spielt
sich das Leben hier draußen ab!<
Und an mich: >Schick Dir einen sonnigen Gruß aus Delta Mare. Jan.< Hola, ich suche auch
eine nette Begleitung zum reisen, dachte ich und klickte gleich sein persönliches Postfach an.
> Hallo Jan, liebe Grüsse zurück aus Stelton, wenn Du wieder hier bist würde es mich freuen
Dich zu treffen. Grüsse Dani Mercier < schrieb ich automatisch zurück.
Dominics Schlangenaugen blitzten durch mein Gehirn. Warum dachte ich jetzt an ihn? Er war
vergeben, ich nicht. Was hatte ich zu verlieren, wenn ich mich mit Jan traf? Du machst das
nur aus Trotz, meldete sich mein Gewissen. Aus Trotz, weil du Dominic nicht haben kannst.
Egal! Ich klickte auf >senden< und sah mir dann den nächsten Brief an. Wer schrieb mir?
>Ich bin verheiratet und möchte es aus diversen Gründen auch bleiben. Unsere Affäre wäre
diskret. Du fickst mich wann ich will, wo ich will und wie ich es will. Ich bevorzuge Sex mit
zwei Frauen, aber die andere werde ich immer sofort dafür bezahlen. Du wirst meine ständige
Begleitung sein und auf Geschäftsreisen auch meine Partner bedienen. Ich bin natürlich
ständig dabei. Geld spielt keine Rolle, Du wirst großzügig belohnt. Wenn Du Dich in dieser
Rolle wiederfinden kannst melde Dich.<
Kein Name. Natürlich nicht! Und es schien so, als wäre ficken ein durchaus gebräuchliches
Wort, ohne den verruchten Abklatsch, der diesem Wort oft anhaftete. Oder musste ich immer
bedenken, aus welchem Mund es kam? Mir war so, als müßte ich auch hier umdenken. Auf
dem Profilbild sah ich eine schwarze Stretch-Limousine, darin saß ein Mann mit einer
dunklen Brille. Koteletten bis zum Kinn. Mafia-Typ. Grauslich. Ohne mich, dachte ich. Ich
suche mir meine Liebhaber immer noch selber aus, und du kannst dein gewaschenes Geld
behalten. Und tschüss!
Mich fröstelte innerlich.
Die nächsten Fotos waren furchtbar, kein einziger war mein Typ. Ich klickte alle weg bis auf
Weitere Kostenlose Bücher