Virtuelle Küsse (German Edition)
damit seine Haare offen waren. Jetzt war es wie ein
Pfand für mich... ein Pfand dass wir uns wiedersehen würden.
"Mit einem Dämon? Wer ist das? Dominic etwa? Ist er heute nacht vom schönen Mann zum
Werwolf mutiert?"
Sie war neugierig. "Das mit den Raupen, das muss ich mir merken. Ich würde sie Dave in den
Kartoffelsalat mischen. Das würde ein bisschen Schwung in mein Sexleben bringen. Der Gute
wird langsam alt, und für ständig Hausfrauenstellung und nach fünf Minuten ist alles vorbei
fühle ich mich einfach noch zu jung! Ich bin doch erst 52! Ob ich mir einen Dildo kaufe?
Aber ich bezweifle ob Dave damit umgehen kann... er ist doch so konservativ. Nachher
benutzt er das Teil noch wie ein Gartengerät! Dave ist einfach anders. Ich musste ihm am
Anfang erst mal abgewöhnen, beim Sex die Socken anzulassen und ständig das Licht
auszuschalten."
Das Licht. Jetzt fiel es mir wieder ein. Dominic hatte im Schlafzimmer das Licht angelassen,
dadurch konnte ich immer ihn und vor allem seine Augen sehen. Ich war mir sicher dass das
dazu beigetragen hatte, dass unsere Nacht dieses besondere Feeling hatte.
"Ich habe Jan getroffen" lenkte ich von Dominic ab. "Meinen neuen Internetkontakt. Es war
total nett, und er sieht wahnsinnig gut aus. Wir saßen im Venezia. Meine Nachbarin war auch
da, sie denkt schon dass ich ein geheimes Establishment betreibe, und dass bei mir abends die
rote Lampe draußen hängt, weil ich ständig Herrenbesuch habe. Man sollte es doch glatt
machen. Dann hätten sie wirklich was worüber sie sich das Maul zerreißen könnten. Tagsüber
heißt es 'zur grünen Wiese' und nachts 'zum steilen Keiler'. Wie wäre das? Hättest Du Lust?
Wir kreieren die 'Rue d' Amour'." Annie lachte laut los.
"Jan hat mich zu sich eingeladen. Ich will hingehen." "Und was ist mit dem Werwolf von
heute nacht?" Mit ihm werde ich untergehen, das weiß ich schon jetzt, dachte ich.
Es war wie eine düstere Vorahnung. Ich blieb Annie die Antwort schuldig. "Ich muss nach
oben. Sonst kriege ich heute gar nichts mehr auf die Reihe."
Abends um sechs war ich erledigt. Der Schlafmangel machte sich bemerkbar, ich konnte
nichts mehr denken. Ich duschte heiß und sank nur noch ins Bett. Mein Handy weckte mich
um zehn. Dominic. Ich wollte nicht mit ihm telefonieren, ich wusste nicht, was ich ihm hätte
sagen sollen. Nach dem siebten klingeln gab Dominic auf.
Wäre alles anders gekommen wenn ich den Anruf angenommen hätte? Im nach hinein kann
man sich die Welt bunt malen, wenn man sich nur anders verhalten hätte. Hinterher ist man
immer klüger. Wenn, dann, hätte, könnte...
Dominic hatte Interesse an mir zum Ausdruck gebracht und ich hatte ihn einfach nicht
beachtet... ein fataler Fehler?
Zwei Minuten später schickte er mir eine SMS.
Er hoffte dass ich einen schönen Tag hatte, schrieb er. Das war ja einfach nur aufmerksam.
Ich antwortet nichts. Ich weiß nicht welcher Dämon mich geritten hatte in diesen Minuten,
welcher Teufel mir einflüsterte, dass ich es Dominic nicht zu leicht machen sollte. Ich fragte
mich in diesem Moment nicht, was ich damit bezwecken wollte- sollte auch er unbewußt für
mich nur ein Opfer sein, so wie ich für ihn? Wollte ich ihm beweisen dass auch eine Frau eine
Leidenschaft wecken konnte, die ausgenutzt, aber nie erfüllt werden konnte? Wollte ich ihn
dafür bestrafen dass er mich wollte, obwohl er doch Maya hatte und auch mit ihr schlief? War
ich schon so skrupellos in meinem Kopf, so gefühlskalt in meinem Herz dass ich ihn auch nur
benutzte, so wie er mich, um den dumpfen Schmerz über das was er mir zufügte in meinem
Inneren zu beseitigen?
Annie holte mich Freitag abend ab und fuhr mit mir in die Gala-Halle. Pferdeshow. Ich war
froh über die Abwechslung, denn ich wusste dass ab heute abend Maya wieder bei Dominic
sein würde. Wie würde er mit ihr umgehen nach unserer gemeinsamen Nacht? Würde ab jetzt
jedes Wochenende für mich zum Spießrutenlaufen werden, dass ich mir krampfhaft eine
Beschäftigung ausdenken mußte, weil sich sonst meine Gedanken überschlugen?
Die Halle war ausverkauft, Annie hatte gute Plätze in der dritten Reihe ergattert, von wo aus
wir alles perfekt sehen konnten. Neben uns saß Steven Winterfield, der Besitzer der einzigen
Kneipe in Stelton, mit seiner Freundin. Er war unrasiert und sah zerzaust aus, wie grad frisch
aus dem Bett gekrochen. "Die Klamotten sind doch aus dem Altkleidersack" flüsterte mir
Annie ins Ohr. "So läuft man doch nicht mal als
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