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Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Titel: Virtuosity - Liebe um jeden Preis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Martinez
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Endausscheidung. Tartini und Mozart beide gut genug. Alles hängt von Endausscheidung ab.«
    Jeremys Gesicht erschien wieder vor mir. Seine abfällige Grimasse, sein arroganter Gang.
    Juri zündete die Pfeife an und sog am Mundstück. Seine faltigen Wangen legten sich eng an seine hervorstehenden Wangenknochen. »Spiel Tschaikowsky«, befahl er, während Rauch aus seinem Mund quoll.
    Ich schloss die Augen und versuchte, die Einleitungsphrase zu hören. Es gelang mir nicht. Ganz plötzlich überwältigte mich ein Gefühl der Erschöpfung. Hatte ich letzte Nacht überhaupt geschlafen? Ich wusste es nicht mehr. Ich erinnerte mich an den hasserfüllten E-Mail-Schlagabtausch mit Jeremy King, daran, dass ich Geige gespielt hatte, an einen merkwürdigen geheimen Telefonanruf, den Diana entgegengenommen hatte – oder vielleicht hatte ich das alles bloß geträumt.
    Juri bedachte mich mit einem bösen Blick.
    Das Tschaikowsky-Konzert war neunundzwanzig Minuten lang. Die Anzahl möglicher Fehler ging ins Millionenfache. Eigentlich hatte ich es immer geliebt. Wann hatte sich das geändert?
    »Nun spiel schon.«
    Juri warf die Partitur auf seinen Schreibtisch und sie öffnete sich auf einer Seite in der Mitte des ersten Satzes. Linien, Hälse, Hilfs­linien – sie sahen wie zerbrochene Gleise aus, die mit Tausenden von winzigen schwarzen Noten übersät und von Vorzeichen verunstaltet waren. Und dann waren da noch Juris Markierungen. Er benutzte einen stumpfen Bleistift, der dicke metallene Striche und Grafit­flecken hinterließ. Die Anweisungen, immer in Großbuchstaben geschrieben und mit Schimpfwörtern durchsetzt, bedeckten jede freie Stelle.
    Mir drehte sich der Magen um. Drei Tabletten reichten ganz offensichtlich nicht mehr aus.
    »Darf ich bitte kurz ins Badezimmer?«
    Er verdrehte die Augen.
    Ich legte die Geige ab, schnappte meine Tasche und lief schnell zum Badezimmer. Gott sei Dank hatte ich die Tabletten mitgebracht. Ich fischte eine aus meiner Tasche und nahm sie mit einem Schluck Wasser aus dem Hahn. Juri wusste, dass ich Inderal nahm, allerdings nicht, dass ich es jetzt schon zum Üben brauchte. Ich betätigte die Toilettenspülung, wusch mir die Hände und holte ein paar Mal tief Luft, ehe ich das Badezimmer verließ.
    »Soll ich gehen und Folge von Bachelor ansehen oder spielst du heute noch Tschaikowsky?«, meckerte Juri, als ich Geige und Bogen wieder aus dem Kasten nahm.
    Allem Anschein nach hatte ich den Fingerhut voll Geduld fürdiese Musikstunde bereits aufgebraucht. Eine Sekunde lang überlegte ich, wie es sich wohl anfühlen würde, den Bogen am eleganten Musikpult aus Ebenholz zu zerschlagen. Wahrscheinlich ziemlich gut. Zumindest im ersten Augenblick. Mir stank es, ständig angemault zu werden, egal wie viel Mühe ich mir gab. Vielleicht war es gar nicht meine Schuld, dass ich Tschaikowskys Violinkonzert jetzt hasste.
    Aber ich brauchte Juri. Ohne ihn konnte ich nicht gewinnen.
    Ich legte die Geige auf die Schulter und begann zu spielen.
    ANGST?
    Nur dieses einzige Wort prangte auf der Werbung. Weiße Schrift über einem Schwarz-Weiß-Foto eines Mädchens. Seine großen, suchenden Augen starrten durch mich hindurch. Es war ungefähr in meinem Alter. Hunderte dieser Plakate der Heart-to-Heart-Adoptionsfirma hingen überall in den Zügen der Hochbahn. Ich hatte sie schon oft gesehen.
    Ich dachte über den Geigenunterricht nach. Zwei geschlagene Stunden lang war es mir nicht gelungen, genau das zu tun, was Juri von mir verlangt hatte, während er immer frustrierter geworden war. Er hatte mich angeschrien und dann, was noch viel schlimmer war, einfach aufgegeben, sich in seinen buckeligen Körper zurückgezogen und von mir abgewandt. Schließlich hatte er mich mit einem enttäuschten Schulterzucken entlassen und ich war davonge­schlichen.
    Ich wollte Diana nichts davon erzählen. Vielleicht würde sie gar nicht danach fragen.
    In weniger als zwei Wochen müsste ich mich Jeremy King und dem Guarneri-Wettbewerb stellen.
    ANGST?
    Ich starrte das schwangere Mädchen auf dem Plakat an. Es hatte ja gar keine Ahnung!
    Als ich nach Hause kam, wartete eine einzige E-Mail auf mich. Sie war von Jeremy.
    Carmen,
    Blödmann? Wow. Wie mutig von dir.
    Jeremy
    PS Ich brauche kein Glück.

Kapitel 6
    Jeremy Kings Lebenslauf war vollkommener Blödsinn. Solche Viten waren im Allgemeinen Blödsinn (meine machte auf jeden Fall eine Gratwanderung zwischen blumig und widerlich), aber seine las sich so klebrig wie

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