Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Titel: Virtuosity - Liebe um jeden Preis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Martinez
Vom Netzwerk:
Schleifen eingepackt war. »Von wem ist der denn?«, wollte ich wissen.
    »Sony Classical. Der ist für dich. Ein Resultat des Meetings, das deine Mom gestern mit ihnen hatte, nehme ich an.«
    Ich riss die Verpackung auf und stöberte in den Delikatessen im Korb umher: Aprikosen in weißer Schokolade, Wasabi-Mandeln,schottische Butterkekse, Mokkatrüffel. Ich entschied mich für die Aprikosen und winkte Clark mit ihnen zu.
    »Ich bin dann weg.«
    Er erwiderte meinen Gruß mit dem Spachtel. »Gib Juri eine dicke, fette Umarmung und sag ihm, dass sie von mir ist.«
    Ich musste lachen. Juri war jetzt seit dreizehn Jahren mein Musiklehrer. Wir hatten einander noch nie umarmt. Soweit ich wusste, hatte Juri noch nie irgendjemanden umarmt.

Kapitel 5
    Der Zug ratterte die Strecke entlang, die ich zweimal pro Woche zurücklegte. Inzwischen kannte ich die exakte Reihenfolge jedes Gebäudes, Schildes und Feuerhydranten auf der Route auswendig. Ich schloss die Augen und genoss, wie die Hochbahn auf dem Gleis hin- und herschaukelte. Das hatte etwas Beruhigendes, aber gleichzeitig auch etwas Bedrohliches, wie eine riesengroße Schlange, die von einer Seite auf die andere rollte.
    Ich wusste, dass Juri mich anschreien würde. Kein tolles Gefühl, aber Angst hatte ich keine mehr. Ich war im Geigenunterricht schon zu oft fertiggemacht worden, als dass ich mich noch richtig gefürchtet hätte. Zwar passierte es nicht in jeder Stunde, aber da es nur noch zwei Wochen bis zum Wettbewerb waren, schien es diesmal so gut wie sicher. Wie gut ich war, spielte dabei nicht einmal eine Rolle.
    Zwei Wochen.
    Der Zug fuhr nach links und das Mädchen mir gegenüber kicherte. Sie und ihr Freund knutschten nicht gerade rum, aber man merkte, dass sie es gern getan hätten. Sie trugen die Uniform einer Privatschule: ein karierter Rock und Kniestrümpfe für sie, Stoffhose und karierte Krawatte für ihn und Blazer mit Wappen für beide. Allerdings lag ihrer auf dem Rucksack vor ihren Füßen. Sie saß fast auf seinem Schoß. Er spielte mit ihrem Ohrring, einem herunterhängenden Ding aus Silber mit Schlaufen und Perlen, und sie malte mit einem Finger Kreise auf sein Knie.
    Ich untersuchte den geschmolzenen Schnee, der Pfützen auf meinen Stiefelkappen hinterlassen hatte, um mir die Szene nichtmitansehen zu müssen. Nicht, dass sie es überhaupt bemerkt hätten. Sie waren in meinem Alter … aber irgendwie auch nicht. Schule. Es musste die Schule sein, die sie so anders scheinen ließ. Oder es war die Tatsache, dass ich nicht zur Schule ging, die mich anders sein ließ. Nicht, dass ich besonders merkwürdig war.
    Ich sah noch ein letztes Mal zu ihnen hinüber. Es lag nicht nur an der Schule. Mein Leben hatte absolut nichts mit ihrem gemein. Sie hatten keine größeren Sorgen als die nächste Mathearbeit. Ich hob meine Zehen und die Pfützen tropften von meinen Stiefeln auf die Gummimatten hinab.
    Die Broschüre über den Guarneri-Wettbewerb. Sie zog mich magisch an. Ich nahm die Unterlagen aus dem Notenfach meines Geigenkastens. Sie waren nur noch mit einer Heftklammer zusammengehalten, die ersten Seiten waren inzwischen lose und hatten Eselsohren. Ich hatte mir alles mindestens zwanzig Mal durchge­lesen. Die Kanten des Papiers hatten begonnen sich voneinander zu lösen. Ich blätterte zu der Seite mit den Namen der Halbfinalisten und las sie mir immer wieder durch.
    Die zwanzig Namen konnten auf unterschiedlichste Weise kategorisiert werden: Es gab dreizehn Männer und sieben Frauen. Neun Amerikaner, sechs Europäer, vier Asiaten und einen einzelnen Australier. Fünf Teenager und fünfzehn in den Zwanzigern. Achtzehn Hoffnungsvolle und zwei echte Anwärter.
    Ich sah mir den Ablauf an. Jedem Einzelnen der Teilnehmer war willkürlich eine Zeit während der beiden Tage der Vorausscheidung zugeteilt worden. Meine Vorausscheidung war für Dienstag um zwei Uhr dreißig angesetzt worden. Jeremy war am Mittwoch um fünf Uhr an der Reihe.
    Als das Päckchen mit den Informationen angekommen war und ich Juri erzählt hatte, wie früh ich dran war, hatte er bloß die Schultern gezuckt und aufgebracht irgendetwas auf Ukrainisch gemurmelt. Und dann auf Englisch: »Dienstag ist schlecht.«
    Diese Art des »Zuspruchs« war typisch für ihn.
    Juri war viele Dinge – Genie, Tyrann, Mentor, von Reality-TV abhängig –, aber ein Cheerleader war er nicht.
    Rein physisch ähnelte er einem Troll. Graue, drahtige Haare sprossen überall, abgesehen von seinem mit

Weitere Kostenlose Bücher