Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Titel: Virtuosity - Liebe um jeden Preis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Martinez
Vom Netzwerk:
einem schicken französischen Knoten hochgesteckt und sie trug ein jadegrünes Seidenkleid. Ein goldener Schal umschmeichelte ihre Schultern wie ein gesunkener Heiligenschein. Sie sah wunderschön aus.
    »Ich geh heute früh ins Bett«, nuschelte ich.
    »Gut.« Gekonnt fuhr sie mit dem Lippenstift über die Lippen und presste sie anschließend aufeinander. »Es geht ja nicht, dass dir morgen womöglich die Luft ausgeht.« Dann fügte sie noch hinzu: »Möchtest du vielleicht eine meiner Schlaftabletten?«
    Ich nahm die Zahnbürste aus dem Mund. »Nein. Ich bin völlig kaputt.«
    »Okay«, antwortete sie. »Clark und ich gehen um acht Uhr auf die Vernissage. Es wird sicher spät, aber wir werden uns bemühen, leise zu sein, wenn wir zurückkommen.«
    Um fünf nach acht fuhr ihr Auto los und um zehn nach acht hatte ich Pyjamahose und Hemdchen gegen ein schwarzes Minikleid und hochhackige Schuhe getauscht. Das Kleid zog ich so gut wie nie an, weil es zu kurz für meine Auftritte war. Ich steckte meine Haare genauso hoch wie Dianas, aber es hatte nicht den gleichen Effekt. Meine waren zu lockig, aber was machte das schon? Niemand würde mich heute Abend sehen.
    Ich starrte auf mein Spiegelbild. Was sollte das alles? Ich ignorierte den Teil meines Gehirns, der klug genug war, Fragen zu stellen,trug roten Lippenstift auf und knipste dann das Badezimmerlicht aus. Ich brauchte jetzt Mut und kein rationales Denken. Ich war drauf und dran, es noch mal mit Spionage zu versuchen. Nach dem Fiasko im Rhapsody brauchte ich eine ordentliche Portion Mumm. Und Unzurechnungsfähigkeit. Ich knöpfte meinen roten Woll­mantel zu und machte mich auf den Weg.
    Jetzt hing der Mantel über meinem Arm und ich hatte nichts Besseres zu tun, als den summenden Neonröhren zuzuhören und über all die Gründe nachzudenken, aus denen ich jetzt eigentlich zu Hause im Bett liegen sollte. Da war zunächst die Sache mit dem Schlaf (ich brauchte normalerweise wirklich eine gehörige Portion Schlaf vor einem Auftritt). Außerdem war es durchaus möglich, dass Jeremy tatsächlich so gut spielte, wie alle Welt behauptete. Dann könnte ich vor lauter Nervosität gar nicht schlafen und müsste eine Handvoll Inderal schlucken, damit ich es morgen Abend überhaupt auf die Bühne schaffte.
    Ich sah wieder auf die Uhr. 20:56. Jetzt ging es los.
    Die Lichter wurden gerade verdunkelt, als ich in die Loge schlüpfte. Sofort wurde es still im Saal – die Gespräche, das Husten, das Knistern von Papier verstummten augenblicklich. Die Dunkelheit zwang jeden Blick unweigerlich auf die erhellte Bühne. Ich setzte mich auf einen der Sessel und strich mit der Hand über den edlen Stoff. Dann zog ich die Kante des Samtvorhangs ein wenig dichter zu mir.
    Der Konzertmeister erhob sich und ich überprüfte meinen Blickwinkel, während das Orchester die Instrumente stimmte. Ich konnte über die Schultern der Cellisten sehen und, wenn ich mich vorbeugte, fast die Noten auf dem hintersten Notenständer lesen.
    Der Konzertmeister kehrte an seinen Platz zurück und es wurde wieder still im Saal.
    Ich hörte Jeremy ehe ich ihn sah. Die hallenden Schritte von Männerschuhen erklangen auf dem Parkett, dann erschien sein blonder Schopf zwischen den unzähligen Geigenbögen rechts aufder Bühne. Seine Körpergröße überraschte mich ein zweites Mal. Er überragte alle Musiker bei Weitem. Der Dirigent folgte Jeremy auf die Bühne und musste doppelt so viele Schritte machen. Er wirkte wie ein kleiner Bruder, der sich nicht abschütteln ließ. Sie erreichten die Bühnenmitte, Jeremy ging vor das Podium und verbeugte sich zurückhaltend. Sein gut geschnittener Smoking sah bewusst zerknittert aus, als hätte er das Jackett zu einem Ball zusammengerollt und dann gebügelt. Seine Haare fielen ihm über die Stirn bis in die Augen und seine Lippen waren zu einer dünnen Linie zusammengepresst. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht richtig einordnen. Sein Blick war nicht direkt gelangweilt oder verächtlich oder spöttisch, aber es hatte etwas von allen drei Komponenten.
    Diana verlangte ein Lächeln von mir, wenn ich die Bühne betrat. Nicht nur irgendein Lächeln, sondern ein echtes, selbstbewusstes-aber-nicht-zu-selbstbewusstes, glückliches-aber-nicht-aufgedrehtes Lächeln. Etwas, mit dem sich das Publikum identifizieren konnte. So was musste man vor dem Spiegel üben. Jeremy wusste ganz offensichtlich nicht, wie er gerade wirkte. Das war ein Fehler. Sein mürrischer Gesichtsausdruck

Weitere Kostenlose Bücher