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Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Titel: Virtuosity - Liebe um jeden Preis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Martinez
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Tabletten zu schlucken, könnte er es doch auch erfahren. Aber es war ganz offensichtlich doch nicht okay.
    Diana hatte mich nicht angelogen, als sie mir von der Wirkung erzählt hatte. Sie hatte es nur nicht besser gewusst.
    Die kreideartigen kleinen Pillen sahen nach Vitamin-C-Tabletten aus. Ich schüttete sie in eine unauffällige hölzerne Pillendose und legte sie in die Tasche mit dem Geigenharz. Sie wirkten vollkommen unschuldig.
    »Falls dich jemand danach fragt«, schlug Diana vor, »sag einfach, dass sie gegen Krämpfe helfen.«
    Niemand fragte. Zu Anfang vollbrachten die Tabletten wahre Wunder. Eine Stunde, nachdem ich die erste genommen hatte, betrat ich die Bühne für einen Auftritt mit dem Montrealer Symphonieorchester mit ruhigen Händen und hatte volle Kontrolle über jede Bewegung. Aber im November brauchte ich schon zwei Tabletten für dieselben ruhigen Hände. Und dann drei. Und jetzt nicht mehr nur für Auftritte, sondern auch für den Musikunterricht. Aber das konnte ich ganz gut rechtfertigen. Schließlich ist der Musikunterricht ja auch eine Art Auftritt, oder etwa nicht? Juris Jähzorn machte die Sache nicht gerade leichter. Ich musste ruhig sein, um den Unterricht mit ihm zu überstehen und zu lernen, was gelernt werden musste.
    Als ich Dr. Wright bei einem Nachfolgetermin erzählte, dass ich immer mehr Tabletten brauchte, behauptete er, das ergebe keinen Sinn, weil Inderal nicht physisch abhängig mache. Falls ich das Gefühl hätte, immer mehr zu brauchen, sei das eine psychische Abhängigkeit und ich solle einfach darauf vertrauen, dass die Dosis, die er mir verschrieben hatte, ausreichend sei.
    Verwirrt verließ ich seine Praxis – hatte mir mein Psychiater gerade gesagt, ich sei verrückt? Es war sowieso gleichgültig. Ich wusste, dass ich mindestens drei Tabletten für einen Auftritt brauchte. Wenigstens für den Augenblick.
    Ich versuchte nicht daran zu denken und wenn ich es doch tat, redete ich mir ein, dass es das wert war. Ich brauchte bloß an Tokio und dieses magenverdrehende Lampenfieber zu denken, um zu wissen, dass es das wert war. Mit Inderal müsste ich das nie wieder durchmachen.
    Wenn ich jetzt auf der Bühne stand, spürte ich so gut wie gar nichts.

Kapitel 7
    Ich lehnte mich gegen die kühle Betonwand im Flur des Kellergewölbes und inspizierte meine Konzertkarte. Virtuosen von morgen, Galerie, Loge B . Ich hatte Glück gehabt. Die Frau am Vorbestellungsschalter hatte mich erkannt und mir den besten Platz im Konzertsaal gegeben. Mit einem Daumen rubbelte ich über die Perforation des Abschnitts und horchte nach irgendwelchen Geräuschen, die das Brummen der Neonröhre übertönen könnten. Nichts.
    Ich sah auf die Uhr. 20:52. Die Pause wäre in acht Minuten vorüber, aber noch war es nicht Zeit, meinen Platz einzunehmen. Das Timing musste perfekt passen. Um 20:56 würde ich den eleganten Treppenaufgang des Rundbaus erklimmen, in dem es immer noch ein Gedränge gäbe, das sich allerdings schnell lichten würde. Leute würden in letzter Minute von den Verkaufsständen und Toiletten in den Konzertsaal zurückkehren. Falls ich die Wendeltreppe sechs Stockwerke mit gesenktem Haupt erklimmen könnte, würde man mich vielleicht nicht erkennen. Ich musste den Bogengang im sechsten Stock erreichen, sobald das Licht erlosch und mir nur ein paar Sekunden Zeit blieben, ehe die Platzanweiser die Türen zu den Logen schlossen.
    Das Licht der Neonröhre war unnatürlich grell. Ich starrte auf die Tür zum Treppenhaus und versuchte das Brummen des Neonlichts über mir zu ignorieren, das mir immer lauter vorkam. Ich fragte mich, ob Jeremy wohl jetzt gerade nervös war. Er schien nicht der Typ. Wahrscheinlich war er zu sehr damit beschäftigt, seine Haare zu stylen, damit sie überzeugend wuschelig aussahen. Oder vielleicht flirtete er mit jemandem. Es gab zumindest eine HandvollFrauen im Symphonieorchester, die jung genug waren, dass er sich für sie zum Idioten machen könnte.
    Es war viel zu einfach gewesen, meine Mutter anzulügen. Ganz schön traurig. Und damit meinte ich nicht, dass ich sie überhaupt angelogen hatte. Aber es war traurig, dass ich siebzehn Jahre alt war und sie keinen Grund hatte, daran zu zweifeln, dass ich an einem Freitagabend um sieben Uhr im Bett liegen würde.
    Ich hatte es ihr mit meiner Zahnbürste im Mund gesagt. Sie hielt einen knallroten Lippenstift gezückt, der bereits hochgedreht war und darauf wartete, aufgetragen zu werden. Ihre Haare waren zu

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