Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Titel: Virtuosity - Liebe um jeden Preis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Martinez
Vom Netzwerk:
allerdings gezwungen. Vielleicht dachte ich einfach zu viel nach.
    Ich hob die Hand und wusste selbst nicht, ob ich das Schild abreißen oder anklopfen würde. Wahrscheinlich hätte ich längst die Flucht ergriffen, wenn ich nicht Juris Stimme im Kopf gehabt hätte. Das passierte ab und zu, meist meckerte sie, aber sie war immer aus dem Zusammenhang gerissen. »Sei nicht Baby« war der Rat, der mir gerade im Kopf umherspukte.
    Und jetzt – vor Jeremys Garderobe stehend, mit dem roten Wollmantel über dem Arm, während ich meine Unterlippe blutig kaute und auf das Schild mit dem Namen Jeremy King starrte – wusste ich, dass der Rat zutraf. Dieser ganze Schlamassel kam daher, dass ich ein Baby war und falls ich jetzt die Flucht ergriff, würde Jeremy King denken, dass ich zu feige war, mich mit ihm zu treffen. Die Zugabe war eine Herausforderung.
    Ich beschloss, nicht weiter nachzudenken, und klopfte an die Tür.
    Mir blieben nur wenige Sekunden meine Entscheidung zu bereuen, ehe die Tür geöffnet wurde und Jeremy vor mir stand. Eine Hand ruhte auf dem Türknauf und mit der anderen hielt er eine Dr.-Pepper-Dose vor den Mund. Die obersten Knöpfe seines Hemdes waren geöffnet, sein Jackett und die Fliege hatte er achtlos auf den Sessel geworfen.
    Für einen Augenblick war ich sprachlos. Abseits der Bühne und aus der Nähe betrachtet schien er wie unter einer Lupe – er war größer und seine Gesichtszüge waren schärfer definiert, mit einem markanten Kinn und blauen Augen.
    Er hob die Augenbrauen, wahrscheinlich weil ich einfach stumm vor ihm stand wie eine Idiotin. Ich streckte meine Hand aus. »Carmen Bianchi.«
    »Weiß ich.« Er schüttelte sie.
    Seine Hand war riesig. Das schien nicht fair, denn mit Händen wie seinen Geige zu spielen musste viel einfacher sein.
    »Ich bin überrascht«, sagte er, trat einen Schritt zurück und bedeutete mir hereinzukommen. »Ich dachte schon, du möchtest mich nicht kennenlernen.« Sein übliches Grinsen war verschwunden und sein Ton war vorsichtig.
    Ich sah mich in der Garderobe um. Sie sah immer noch genauso aus, wie ich sie in Erinnerung hatte. Geräumig und exquisit, wenn auch etwas unmodern möbliert: ein abgenutztes Samtsofa, ein Stutzflügel, von Glühbirnen umgebene Spiegel und austauschbare Gemälde vom Hudson und der Skyline von Chicago. SeineVioline hatte er bereits eingepackt und ein Kleidersack lag daneben auf dem Sofa.
    Ich sah mich noch mal um, auf der Suche nach seinen Eltern, einem Manager oder Lehrer. Aber er war allein.
    »Suchst du jemanden?«
    »Nein. Ich bin nur davon ausgegangen, dass du in Begleitung bist.«
    »Kein Gefolge.«
    »Gehst du immer allein auf Tournee?«
    Er zuckte die Achseln. »Mein Dad kann sich nicht so lange freinehmen und meine Mutter muss sich um meinen Bruder kümmern.«
    Ich nickte und versuchte mir London ohne Diana vorzustellen. Allein in einem Hotel zu übernachten, allein essen zu gehen, allein aufzutreten, ohne dass jemand hinter der Bühne auf mich wartete. Es wäre entweder unglaublich toll oder sehr traurig. Vielleicht von beidem etwas.
    Die Stille zwischen uns dehnte sich aus. Jeremy starrte mich an und wartete auf eine Antwort.
    »Ich möchte mich bei dir für letztens im Café entschuldigen«, stotterte ich.
    »Das brauchst du nicht«, antwortete er. »Wenn sich jemand entschuldigen muss, bin ich es. Der Salut war ziemlich albern von mir.«
    »Aber ich hätte Hallo sagen sollen. Ich hatte nur nicht damit gerechnet, dich zu sehen. Ich war vollkommen überrascht.«
    Das war natürlich gelogen, aber was hätte ich sonst sagen sollen? Schließlich wollte ich nicht, dass er mich für einen obsessiven Stalker hielt. Wie konnte ich zugeben, ihn ausspioniert zu haben, und dabei normal wirken? Außerdem hätte die Begegnung ja wirklich zufällig sein können.
    Er zog eine Augenbraue hoch. »Überrascht? Das bezweifele ich.«
    »Wie bitte?«
    Er kniff die Augen zusammen und überlegte wahrscheinlich gerade, wie weit er gehen wollte. »Ich glaube, du hast auf mich gewartet.«
    Mein Verstand setzte aus. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er mir nicht glaubte oder zumindest nicht wenigstens so tat, als ob er mir glaubte. »Das ist aber ein bisschen übertrieben, findest du nicht?«, sagte ich schließlich. »Wieso sollte ich dir hinterherspionieren?«
    »Spionieren? Das habe ich doch gar nicht gesagt«, entgegnete er. » Ich dachte, du wolltest mich kennenlernen und dann hat dich der Mut verlassen. Spionieren  … Wow.

Weitere Kostenlose Bücher