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Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Titel: Virtuosity - Liebe um jeden Preis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Martinez
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morgen.
    Der Tisch der Jury befand sich hinter dem Hauptblock der Sitzplätze und vor den Ausgängen. Die drei Juroren saßen dahinter. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte, in ihren Mienen zu lesen. Ein Gesicht zog mich sofort in seinen Bann.
    Ganz links saß Dr. Nanette Laroche, eine über siebzigjährige Französin, deren Blick sogar von Weitem sehr kalt wirkte. Jahr­zehnte­lang war sie die Lehrerin gewesen, von der man an der Juilliard unterrichtet werden wollte. Sie war jetzt im Ruhestand, hatte aber unzählige Karrieren aus der Taufe gehoben. Ihre Unterrichtsmethoden waren legendär und würden Juris wahrscheinlich geradezu liebevoll erscheinen lassen. Dutzende Violinisten waren von Dr. Laroche zu weltberühmten Geigern verdreht und gepresst worden, aber ihre Erscheinung – gebrechliche Statur, weiche Gesichtszüge, graue Haare – war in jeder Hinsicht großmütterlich. Abgesehen von diesen unerbittlichen Augen.
    Die anderen beiden Juroren interessierten mich weniger. Dr. Daniel Schmidt war der musische Direktor des Züricher Symphonieorchesters und Dr. Yuan Chang Professor für Musiktheorie am Curtis Institute. Meiner Meinung nach hatten die beiden nicht genug Ahnung vom Geigespielen, als dass sie der Jury angehören sollten.
    Neben dem Tisch der Jury stand ein separates kleines Pult, an dem die Aufsichtsbeamtin des Wettbewerbs saß. Sie war dafür verantwortlich, dass alles reibungslos vonstattenging. Sie klingelte die Teilnehmer mit einer Glocke heran, stoppte die Musiker, falls sie über ihr Zeitlimit gingen, und ermahnte alle, die zu laut wurden, ruhig zu sein. Sie trug eine Tweedjacke, eine Hornbrille und einen strengen Knoten und saß kerzengrade auf ihrem Stuhl. Sie machte den Eindruck, als wollte sie sich irgendwo als Bibliothekarin bewerben. In ein paar Sekunden würde sie erneut klingeln und dann wäre ich an der Reihe.
    Ich machte innerlich eine Bestandsaufnahme. Seit über einer Woche hatte ich keine Inderal mehr genommen, aber die Gefühle, die sich in meinem Körper drehten, waren genauso schlimm wie vor dem ersten Auftritt ohne Betablocker.
    Mir war schlecht und meine Hände hätten nicht kälter sein können, wenn ich sie in einen Eiskübel getaucht hätte. Meine Knie zitterten, aber zumindest konnte ich gehen.
    Ich warf einen letzten Blick auf das Publikum und diesmal entdeckte ich Clark und Juri links in der Ecke. Ich war zu sehr damit beschäftigt gewesen, Jeremy zu suchen, und hatte sie nicht bemerkt. Juri saß zusammengesunken auf seinem Stuhl, der Kopf ruhte in seinem Buckelberg und die Hände lagen geduldig auf dem Schoß gefaltet. Seine Anwesenheit hatte etwas Beruhigendes. Nach meiner letzten Stunde bei ihm war ich mir nicht sicher gewesen, ob er überhaupt kommen würde. Unser Abschied war mir so endgültig vorgekommen, nachdem ich seine Wohnung verlassen hatte.
    Gewinn es für dich selbst . Das hatte er mir gesagt. Ich wollte es versuchen.
    Ich hatte die letzte Woche damit zugebracht auseinanderzufallen. Schicht um Schicht hatte sich gehäutet, häutete sich noch immer, und darunter … Ich wusste selbst nicht genau, was darunterlag.
    Das metallene »Ping« der Glocke ließ mich aus meinen Gedanken hochschrecken. Es war so weit. Ich holte tief Luft und ging auf die Bühne, einen Fuß vor den anderen setzend, langsam und gleichförmig, auf die Mitte zu. Ich bemerkte kaum meine Begleitung, die hinter mir herkam.
    Ich bin okay. Ich fühle mich schrecklich, aber ich werde es schaffen. Das erkannte ich gerade noch rechtzeitig. Zwar zitterten meine Knie, aber sie gaben nicht nach. Und meine Hände waren immer noch kalt, aber ich konnte sie zumindest bewegen.
    Die Aufsichtsbeamtin verkündete meinen Namen und betonte dabei jede einzelne Silbe.
    »Car-men Bi-an-chi.«
    Ich sah kurz zum Tisch der Juroren hinüber, legte die Geige ans Kinn und spielte. Zunächst ein wenig zaghaft, aber dann floss die Musik plötzlich, preschte voran und erhob sich schließlich in die Luft. Ich war frei und alles andere schmolz dahin. Als ich meinen Bogen nach der letzten Note von den Saiten hob, wusste ich, dass es ausgereicht hatte.
    Stille, dann spärlicher Applaus.
    »Vielen Dank«, sagte die Beamtin.
    Noch außer Atem sah ich ein letztes Mal zur Jury hinüber. Alle drei hatten ihre Köpfe nach unten geneigt und schrieben wild. Würde mich denn keiner von ihnen ansehen? Als hätte sie meine Gedanken gelesen, hob Dr. Laroche plötzlich den Kopf und nickte mir zu.
    Ping . Das Klingeln war mein

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