Virtuosity - Liebe um jeden Preis
nicht«, fuhr er fort. »Vor einer Woche wie gut war Tschaikowsky? Gar nicht gut. Jetzt, wie du hast gespielt am Samstag, du hast Chance. Du kannst Guarneri nicht gewinnen, wenn du spielst für mich.«
Ich nickte. Er wollte, dass ich es nur für mich tat.
»Und nicht für Diana.«
Ich sah auf meine eigenen Hände, die in meinem Schoß lagen. Die Finger waren dünn und stark, die Schwielen an den Kuppen schälten sich an den Kanten und ließen keinen Schmerz mehr durch.
»Es tut mir leid«, sagte ich.
»Nein, tu was anderes.«
»Dann bin ich dankbar.«
Er nickte und dann zitterte sein Kinn, aber so unmerklich, dass ich mir nicht sicher war, ob es tatsächlich stimmte. Er hob eine Hand und rieb sich irritiert die Augen. Es dauerte nur einen kurzen Moment. Als er die Hand wieder herunternahm, war sein Gesicht völlig ruhig. »Das bin ich auch«, antwortete er.
Carmen,
hey. Ich sitze jetzt seit mindestens einer halben Stunde hier und starre auf den verdammten Cursor. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Hasst du mich jetzt? Ich gebe dir die Erlaubnis dazu.
J
Ich begann eine Antwort, löschte dann die ersten paar Worte und starrte ebenfalls eine halbe Stunde lang auf den Cursor, wie Jeremy von sich behauptet hatte. Ich mochte ein Neuling sein, was Beziehungen anging, aber ich wusste genug, um nicht zu schreiben, was ich wirklich fühlte. ( Ich fühle mich gedemütigt, weil ich tatsächlich geglaubt habe, dass du mich magst. Ich bin stinksauer, weil du deinen sterbenden Bruder dazu benutzt hast, mir ein total schlechtes Gewissen zu machen. Ach ja, außerdem mag ich dich irgendwie trotzdem noch, was bedeutet, dass ich absolut keine Selbstachtung habe. ) Aber was sollte ich dann antworten? Ich sah auf die Uhr. Es war zu spät um Heidi anzurufen. Ich stand auf, schüttete mir etwas Müsli in eine Schüssel, setzte mich wieder an den Computer und starrte weitere zehn Minuten auf den Cursor.
Jeremy,
ich hasse dich nicht. Aber wenn ich es täte, bräuchte ich ganz sicher nicht deine Erlaubnis.
Seine Antwort kam schnell.
Gut zu sehen, dass du immer noch Mumm hast.
Er wollte einen lockeren Ton anschlagen. Aber ich konnte einfach nicht herumalbern.
Wolltest du etwas Bestimmtes?
Ich wartete einen Augenblick, ehe ich auf Abschicken drückte. Es war knallhart, aber er hatte es nicht besser verdient.
Eine zweite Chance.
Unglaublich.
Wozu? Du musst zugeben, dass unsere Situation es ein wenig schwierig macht, Freunde zu sein.
Er konnte nicht im Ernst daran glauben, dass aus uns noch ein Paar werden könnte.
Also müssen wir ein paar Komplikationen aus dem Weg räumen – na und?
War er wirklich so dumm oder tat er nur so? Hatte er alles, was geschehen war, aus seinem Gedächtnis verbannt? Die andere Möglichkeit – dass ich die Dinge etwas überbewertete – wollte ich nicht in Betracht ziehen.
Jeremy, ich wünsche dir viel Glück für nächste Woche. Von ganzem Herzen.
Hast du es mir abgekauft? Natürlich nicht. Hätte ich auch nicht. Und genau das ist das Problem – oder zumindest eines der Probleme. Keiner von uns beiden kann den Beweggründen des anderen über den Weg trauen. Ich denke, es ist besser für uns beide, wenn wir einfach die Geigen für uns sprechen lassen. Damit will ich sagen, dass wir uns nicht vor Ende des Wettbewerbs sehen sollten. Konzentrier dich auf deine Musik, ich muss mich auf meine konzentrieren. Möge der bessere Violinist gewinnen und vielleicht können wir nächste Woche nach der Endausscheidung miteinander reden. Oder was auch immer.
Eigentlich hätte es sich besser anfühlen sollen, die Nachricht abzuschicken. Aber ich spürte nichts als Leere in meiner Seele. Ich fühlte mich plötzlich ganz furchtbar einsam und hatte eine hohle Wut im Bauch.
Seine Antwort half auch nicht gerade.
Es tut mir leid. Ganz ehrlich. Du bist offensichtlich sehr wütend auf mich und hast natürlich allen Grund dazu. Was den Guarneri angeht, hast du absolut recht, und deshalb werde ich kein weiteres Wort mehr darüber verlieren.
Aber ich habe ein Recht darauf dir zu sagen, dass du trotzdem falsch liegst. Was meine Motive angeht, meine ich. Ich habe nichts getan oder gesagt, was ich nicht auch gefühlt habe. Ich gebe dir mein Ehrenwort.
Jeremy
Jede einzelne Faser meines Körpers sehnte sich danach zu antworten. Aber es ging nicht. Es wäre nicht klug und ich musste endlich damit anfangen vernünftig zu sein, wenn ich tatsächlich gewinnen wollte.
Ich würde gewinnen, aber nicht für Juri und
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