Virtuosity - Liebe um jeden Preis
Violinistin auf der ganzen Welt bist, wird niemand hören, wie gut du spielst, und man wird dich vergessen.«
Wieder stiegen mir Tränen in die Augen und Diana verschwamm vor meinen Augen. »Warum hast du mir das angetan? Ich wollte das alles nicht.«
»Carmen, du weißt gar nicht, was du willst! Ich habe dir nichts angetan , ich habe etwas für dich getan!«
»Warum?«
»Weil ich dich liebe!«
Ich schloss die Augen und Tränen liefen über meine Wangen.
»Eine Million Dollar«, sagte sie. »So viel habe ich bezahlt, damit du am Freitag im Rampenlicht stehen kannst. Wage es ja nicht, sie zu verschwenden.«
Ich konnte mich nicht mehr streiten, ich war zu müde. Sie hatte recht, was meine Karriere anging. Niemand würde etwas mit mir zu tun haben wollen, falls ich sie anschwärzte. In den Augen der gesamten Musikindustrie wäre ich genauso schuldig. Und was Fairness anging, stimmte vielleicht, was Jeremy gesagt hatte. So etwas wie Fairness gab es im wirklichen Leben gar nicht.
Ich ließ zu, dass Diana mich mit einer Hand auf meinem Rücken zurück ins Bett brachte. Ich fühlte mich zu elend und konnte mich nicht dagegen auflehnen. Sie zog die Bettdecke hoch, strich eine Haarsträhne aus meinem Gesicht und küsste mich auf die Stirn, als wäre ich ein Kleinkind. Ich ließ sie gewähren. Kapitulation war meine einzige Möglichkeit.
Ich lag im Bett und lauschte dem Prasseln des Regens. Es regnete die ganze Nacht.
Kapitel 19
Am Donnerstag lief ich. Ich lief nicht fort, zumindest nicht direkt. Ich wartete auf den Sonnenaufgang und bis der Regen aufhörte. Dann zog ich mich an – Joggingshorts, ein langärmeliges T-Shirt, Laufschuhe – und schlüpfte aus dem Haus.
Chicago erwachte vom Regen wie frisch gewaschen und die Hochhäuser glänzten wie Säulen aus Wasser. Die Kälte brannte an den Beinen, als ich zu laufen begann, aber nach einer Minute war meine Haut taub und ich spürte, wie das Blut bis in meine Zehenspitzen gepumpt wurde, in meinen Ohren pulsierte, meine Finger wärmte. Ich war seit längerer Zeit nicht mehr gelaufen. Nach zehn Minuten in der beißenden Kälte taten mir die Lungen weh. Es fühlte sich gut an. Genau die richtige Mischung aus Schmerz und Anstrengung, sodass ich nicht nachzudenken brauchte.
Trotzdem holte mich das, vor dem ich wegzulaufen versuchte, schnell ein, und ich hatte das Gefühl, meine Lungen könnten jeden Moment den Geist aufgeben. Ich konnte laufen gehen, aber meine Probleme ließen sich nicht einfach abschütteln.
Als ich zurück nach Hause kam, schlief Diana noch. Ich humpelte nach oben und zog meine Sachen aus.
Es stimmte, was Diana gesagt hatte. Ich konnte nicht einfach wieder ein Niemand sein, nicht nach allem, was ich geopfert hatte. Es war nicht fair. Und ich würde ganz sicher zu einem Niemand, wenn ich mich morgen weigerte zu spielen oder wenn ich sie anschwärzen würde. Uns anschwärzen würde.
»Bauch einziehen.«
Ich gehorchte. Diana zog den Reißverschluss zu und drapierte die Lagen des blauen Chiffonkleides. Ich sah aus dem Fenster hinaus auf die dunkle Straße.
»Perfekt«, flüsterte sie.
Ich drehte mich um und sah in den Spiegel. Das Kleid war ein Traum in Blau, die Lagen des Rockteils flossen wie Wasser vom Bustier hinab.
»Morgen Abend gehört dir, Carmen.«
Ich nickte.
»Wir stecken deine Haare so hoch und schmücken die Frisur mit Perlen.« Sie nahm zwei Handvoll meiner Locken und drehte sie oben auf dem Kopf. »Du wirst wie eine Prinzessin aussehen.«
Sie lächelte. Das konnte sie wirklich gut, das richtige Gesicht aufsetzen und sich selbst dazu zwingen, sich genauso zu fühlen. Sie glaubte wirklich, dass jetzt alles perfekt war.
»Jetzt zieh es bitte wieder aus und mach dich bettfertig. Du musst heute Nacht gut schlafen.«
Das würde nicht schwer sein. Letzte Nacht hatte ich so gut wie gar nicht geschlafen und das Gewicht des heutigen Tages, beider Tage, war mehr als genug. Ich würde schlafen. Ich war so müde, dass ich nicht einmal in meiner Mailbox nachsah. Aus diesem Grund las ich Jeremys E-Mail erst Freitagnachmittag, als es schon zu spät war.
Carmen,
herzlichen Glückwunsch. Das meine ich ganz ehrlich, obwohl du es mir sicher nicht glauben wirst. Es stimmt aber wirklich. Ich will nicht lügen und behaupten, dass ich mich für dich freue, weil ich mich im Moment über gar nichts freuen kann. Aber egal, wie enttäuscht ich darüber bin, morgen nicht spielen zu können, weiß ich trotzdem, dass du es verdient hast, dabei zu
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