Virulent

senkte die Waffe. »Naja, dann – tut mir leid.«
    Donald atmete hörbar auf.
    »Bobby, tut mir leid, dass ich deinen Bruder bedroht habe, aber er ist direkt auf mich losgestürmt.« Er ließ den Sicherungshebel einrasten und schob die Pistole irgendwo hinter seinem gewaltigen Rücken in den Hosenbund. Alle standen einen Augenblick lang schweigend da.
    »Das ist ein wenig peinlich«, sagte Betty.
    »Na, Mark«, fragte Bobby, »wie war’s auf der Jagd?«
    »Ich habe eine Niete gezogen«, sagte Mark. »Da besorge
ich mir lauter neue Gewehre, und dann taucht kein einziges Reh auf. Aber das ist jetzt wahrscheinlich nicht der richtige Zeitpunkt für eine kleine Plauderei, Bobby. Wie wär’s, wenn du mit deiner Familie mal zum Abendessen vorbeischaust? Nächste Woche.«
    »Geht klar, Mark«, sagte Bobby. »Man sieht sich.«
    Mark nickte, drehte sich um und ging zurück zu seinem Winnebago. Die Jewells sahen ihm zu, wie er einstieg und davonfuhr.
    »War diese Waffe legal?«, fragte Donald.
    Bobby zuckte mit den Schultern. »Du weißt so gut wie ich, dass man in dieser Gegend keine großen Fragen stellt. Er ist letztes Jahr hierher gezogen. Er hat ein bisschen ein Auge auf Candice geworfen.«
    »Kein Scheiß?«
    »Kein Scheiß«, sagte Bobby. »Er gibt es offen zu. Normalerweise wäre ich ziemlich sauer, aber von mir aus kann er schauen, so viel er will. Ich mache keine große Sache daraus – aus Gründen, die du jetzt wahrscheinlich sehr gut verstehen wirst.«
    »Ja«, sagte Donald. »Ich glaube, ich weiß, was du damit sagen willst.«
    »Mein Gott, Daddy«, sagte Betty. »Du kannst sooo ein Arschloch sein. Könntest du bitte meinen Schlitten aufheben, sodass ich zurück zu Onkel Bobbys Haus fahren und dort vor Verlegenheit sterben kann?«
    Donald tat genau das. Sie sprang auf den Sitz und raste wieder auf dem gespurten Trail zurück. Die Jewell-Brüder sahen ihr nach.
    »Sie fährt wirklich gut mit diesem Ding«, sagte Bobby.
    Donald nickte.

    »Donny, ich werd jetzt mal eine ganz gewagte Vermutung anstellen. Du hast deine Medikamente nicht genommen, stimmt’s?«
    Donald schüttelte den Kopf.
    »Hab ich mir gedacht«, sagte Bobby. »Das ist es, was ich an dir so liebe – deine Konsequenz. Du lernst es nie. Komm, Candice bereitet ein riesiges Essen vor, und meine Tochter, der blonde Tornado, möchte zusammen mit ihrem OnkieOnkie Donny die Pistons spielen sehen. Glaubst du, du schaffst das, ohne dass du versuchst, jemanden zusammenzuschlagen? «
    »Ich könnte es mal wirklich ernsthaft versuchen.«
    Sie stiegen auf ihre Schlitten und fuhren auf dem Trail zurück. Donald kam sich nch dem Wutanfall vor den Augen seiner Tochter wie ein vollkommener Idiot vor. Was wäre passiert, wenn dieser Typ nicht Bobbys Nachbar gewesen wäre? Wenn er nur irgendein Schwachkopf mit einer Waffe gewesen wäre? Dann wären Donald und seine Tochter möglicherweise wirklich in Gefahr gewesen. Vielleicht sollte er anfangen, seine Medikamente zu nehmen, sobald sie zu Hause ankamen.
    16
Kaffee im Motelzimmer
    Dew saß in seinem Motelzimmer und nippte an seinem Motelzimmer-Kaffee. Er erinnerte sich an die Zeit, als es noch etwas ganz Besonderes gewesen war, eine kleine Kaffeemaschine zu besitzen, mit der man jeweils nur eine einzelne Tasse zubereitete.
Jetzt waren diese Dinger überall, und sie knauserten mit allem, was wirklich wichtig war. Denn wer, zum Teufel, nahm seinen Kaffee mit nur einer einzigen Portion Kaffeeweißer und einer einzigen Portion Zucker?
    Doch so miserabel der Kaffee auch war, für diese Unterhaltung brauchte er seinen Schuss Koffein. Er hielt den Kaffee in der einen Hand und sein klobiges Sicherheits-Satellitentelefon in der anderen.
    »Es war ein Blutbad, Murray«, sagte Dew.
    »Diesmal hast du es vermasselt, Top«, sagte Murray, wobei er die Abkürzung für Top Sergeant benutzte, den Rang, den Dew gehabt hatte, als die beiden zusammen beim Militär waren. Dew hasste den Ausdruck und Murray wusste das.
    »Und du hast mich mit reingeritten«, fuhr Murray fort. »Zum Dank dafür wird die neue Stabschefin meine Eier auf dem Tablett serviert bekommen. Ich habe allen gesagt, dass wir Dawsey unter Kontrolle haben.«
    »Naja, das war ziemlich dämlich von dir, L. T.« Die noch aus gemeinsamen Kriegstagen stammende Abkürzung für Lieutenant ärgerte Murray genauso, wie Dew sich über Top ärgerte.
    »Aber es ist kein totaler Reinfall«, fuhr Dew fort. »Wenigstens hat Margaret diesen Test für die Wirtskörper. Das ist ein