Virulent
geschlossen, fragte sie sich, wie viele verschiedene Arten von Schmerz es wohl geben konnte.
Keiner kannte mehr als sie.
Rühr dich nicht.
Sie wusste nicht, woher diese Worte kamen. Sie waren nicht in ihren Ohren. Mit den Ohren hörte sie das Klirren der Instrumente und die gedämpften Stimmen eines Mannes und einer Frau. Diese Stimmen waren mit einer neuen Qualität von Schmerzen verbunden.
Sie schnitten in ihr Gesicht, verdammte Scheiße. Todesqualen, die reinste Hölle – und doch, war es schlimmer als das Feuer, das durch ihren ganzen Körper raste? Scheiße, spielte es überhaupt eine Rolle, was schlimmer war? Jedes für sich genommen war schon so schlimm, dass sie sich am liebsten eine Pistole in den Mund geschoben und abgedrückt hätte, nur damit der Schmerz aufhören würde.
Betty, du musst deine Seele retten.
Ihre Seele? Konnte sie nicht einfach ihr Gesicht retten? Für die Abschlussfotos braucht man keine Seele.
Oh, Gotttt, es tat so weh. So große Schmerzen.
Bring sie um, Betty. Bring die Leute um, die dir wehtun. Dann werden all deine Schmerzen verschwinden.
Diese Stimme. So schön. War das die Stimme Gottes? Wenn nicht, wie konnte sie sie dann hören? Aber eigentlich spielte es keine Rolle, wer sprach, denn die Stimme versprach ihr, dass der Schmerz aufhören würde.
Dafür würde Betty alles tun.
Ihre rechte Wange ruhte auf einem harten Kissen. Sie hatten
sie auf die rechte Seite gedreht, während der linke Arm hinter ihrem Rücken noch immer in der Fixierungsschlaufe steckte. Der Mann und die Frau schwebten über ihr, pfuschten in ihrem Gesicht herum, ihrem einst so schönen Gesicht. Betty spürte, wie sie schnitten.
Wer bereitete ihr solche Schmerzen? Dr. Braun? Die mexikanische Schlampe? Es spielte keine Rolle. Sie würden beide bezahlen.
Langsam öffnete sie ihr rechtes Auge. Sie sah nur etwas Blaues. Man hatte ihr Gesicht mit einer Art Serviette zugedeckt. Es fühlte sich so an, als bedecke diese Serviette auch ihr linkes Auge. Konnte sie es öffnen? Sie entschied sich dagegen. Ihr Vorteil währte nur so lange, wie die anderen sie für bewusstlos hielten. Was auch immer die Serviette in Wahrheit sein mochte, sie reichte nicht bis hinab auf die Trage. Wenn sie mit ihrem rechten Auge die Trage entlang nach unten blickte, so konnte sie unter dem Papiertuch hindurch ihren rechten Arm erkennen und die Lederschlaufe sehen, mit der sie am Handgelenk gefesselt war.
Langsam bewegte sie ihren linken Fuß. Die Schlaufen an ihren Füßen waren gelöst worden, um sie auf die Seite zu drehen.
Da ihr ganzes Gewicht auf ihrer rechten Schulter ruhte, konnte sie ihre rechte Hand nicht bewegen, ohne dass ein Zucken durch ihren Körper laufen würde. Doch sie konnte mit der linken Hand an der Schlaufe ziehen, wenn sie sehr, sehr langsam vorging.
In winzigen Schritten und überaus vorsichtig erhöhte sie den Druck.
»Ich verstehe das nicht«, sagte der Mann. Der Schutzanzug dämpfte seine Stimme, doch sie konnte seine Worte verstehen.
Es klang, als sei er ihr ganz nahe, als beuge er sich direkt über ihr abgedecktes Gesicht.
»Sie hat keine Dreiecke«, sagte der Mann. »Sie hat keine der farbigen Fasern der Morgellons-Krankheit. Warum sterben ihre Zellen dann in diesem rasenden Tempo?«
Betty zog noch immer. Es tat weh. Eine neue Art des Schmerzes breitete sich aus. Sie hatte das Gefühl, als risse etwas. Lautlos zog sie immer weiter und behielt den konstanten Druck bei. Haut löste sich von ihrem Fleisch, so dass es ihr gelang, die Hand durch die Schlaufe zu ziehen, als streife sie einen blutigen schwarzen Handschuh ab. Sie spürte, wie Streifen zerstörter Haut am unteren Rand der Schlaufe zusammenklumpten. Sie wusste, sie hätte entsetzt sein müssen, doch dafür war es zu spät.
Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.
Sie musste handeln.
Ohne Haut wäre alles ein wenig glitschig. Sie musste es exakt hinbekommen.
»Margaret, sieh dir das an«, sagte der Mann. »Ich … oh, mein Gott, ich sehe etwas. Da drin bewegt sich etwas. Es ist wirklich winzig. Nimm die Vergrößerung. Schau.«
Er hatte den Namen Gottes zu Unrecht in den Mund genommen. Sünder. Betty hörte das Knirschen des Schutzanzuges, als die Frau neben den Mann trat.
»Was zum Teufel, ist das, Amos?« Die Stimme der Frau. Auch sie direkt vor ihr, auch sie direkt über ihr Gesicht gebeugt. »Es sieht aus wie … es sieht aus wie eine Nervenzelle.«
»Das ist unfassbar«, sagte der Mann. »Man kann sehen,
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